Niedersachsen will den Ausstieg - nur wann?

"Seit Fukushima hat die Kernenergie in Deutschland endgültig keine Zukunft mehr." Klare Worte von Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister, CDU. Den Schwenk der Union von atomarer Laufzeitverlängerung zum Ausstiegsszenario hat CDU-Fraktionschef Björn Thümler in neun Thesen vollzogen. Kernaussage: "Die Kernenergie muss neu bewertet werden."

CDU/FDP: Moratorium abwarten

Deutlich wie nie zuvor bekennt sich die CDU zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien - den Windparks in der Nordsee und dem Ersatz alter Windkraftanlagen (Repowering) im Windkraftland Niedersachsen. Auch anderen regenerativen Energieformen wie Solar und Biogas oder Geothermie misst die CDU nun größere Bedeutung zu. Aber, so Thümler: "In der Summe werden die Verbraucher durch den Ausbau erneuerbarer Energien erheblich belastet, so werden die Strompreise steigen." Es gehe um Milliarden-Investitionen. Deshalb erfordere die Energiewende eine breite gesellschaftliche Zustimmung. Nachhaltige Energie müsse für jeden Bürger bezahlbar bleiben.

Während der Koalitionspartner FDP laut Umweltminister Hans-Heinrich Sander die Energiewende nur durch Atomstromimporte aus dem Ausland für möglich hält, sagt Thümler: "Es ist keine Lösung, Strom aus Kernenergie von anderen Ländern zu beziehen." Viel mehr an Dissenz ist in der Koalition beim Zukunftsthema Energie nicht erkennbar: Die Liberalen in Niedersachsen halten sich inhaltlich bedeckt.

SPD: Erstes Bundesland ohne Atom

"Wir wollen das erste der fünf Bundesländer mit Atomkraftwerken sein, das alle seine Meiler aus dem Verkehr zieht." In seiner Positionsbestimmung zur künftigen Energiepolitik der Landtags-SPD sagt Fraktionsvize Detlef Tanke: "Die Atomenergie ist kein gangbarer Weg." Er beschreibt einen radikalen Aufbruch Richtung erneuerbare Energie. Die SPD lädt dabei Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Energieversorger, kommunale Spitzenverbände, Wissenschaftler, Unternehmer der Branche erneuerbarer Energien und Umweltverbände zum Dialog über den besten Weg dahin ein. Insbesondere den vom Umbruch direkt betroffenen Arbeitnehmern müssen neue Perspektiven geboten werden: "Es ist unsere Verantwortung, dass der Umbau unserer Gesellschaft keine Verlierer produziert", sagte Tanke.

Aus seiner Sicht kann der in niedersächsischen Atommeilern produzierte Strom in wenigen Jahren durch einen "Energie-Dreiklang" ersetzt werden: durch bestehende konventionelle Kraftwerkskapazitäten in Niedersachsen und Bremen; den Neubau eines hocheffizienten Gaskraftwerks; den Ausbau von Wind- und Solarenergie sowie die technische Aufrüstung von Windanlagen.

Die Linke: Energiekonzept ohne Großtechnologie

Die Linken fordern als kleinste Oppositionspartei in einem Entschließungsantrag im Niedersächsischen Landtag den "unverzüglichen und unumkehrbaren Ausstieg aus der Atomkraft". Der Betrieb der AKWs Unterweser, Grohnde und Lingen müsse "für immer eingestellt" werden. Statt Großtechnologien wollen die Linken in einem Energiekonzept den Bau von dezentralen Anlagen forcieren. Sie setzen ebenfalls auf erneuerbare Energien und Energie-Effizienz.

Die Grünen: Enkeltauglich ohne Atom und Kohle

"Enkeltaugliche Energieversorgung": Als erste Fraktion im Niedersächsischen Landtag haben die Grünen ein Konzept für eine hundertprozentige Energieversorgung mit erneuerbaren Energien vorgelegt. Energieersparnis sowie die Änderung der Produktions- und Lebensweise sollen den vollständigen Verzicht auf fossile und nukleare Energiequellen ermöglichen. Zentrale Punkte sind die Reduzierung des aktuellen Energieverbrauchs und der massive Ausbau von Wind- und Sonnenenergie, ergänzt durch Potenziale aus Wasserkraft und Biomasse (Holz, Stroh, Energiepflanzen) sowie Umgebungswärme.

Auf rund 60 Seiten beschreiben Fraktionschef Stefan Wenzel und sein Expertenteam detailliert den Weg zu einer verantwortungsvollen Energieversorgung des Landes - mit ehrgeizigen Meilensteinen: bis 2017 Atomausstieg; bis 2030 Strom nur noch aus erneuerbaren Energien - bei Verzicht auch auf weitere Kohleverstromung. Bis 2040 dann Umstellung des Verkehrs auf Erneuerbare. Möglich werde der Paradigmenwechsel durch ein Bündnis mit den Bürgern zum Bewusstseinswandel in der Lebensweise und mit der Wirtschaft zur Umstellung auf effizientere Produktionsprozesse.

Basis der Überlegungen ist die Reduzierung des aktuellen Energieverbrauchs um fast 50 Prozent - durch Verbrauchsminderung bei Antrieben (21,5 Prozent), bei Wärme (21,8) und bei Strom (6,1). Ein weiterer Konzeptbaustein ist eine energetische Grundlastversorgung durch Energiespeicherung.