R. Wähnelt und Th. Laskowsky

Von Birgit Tragsdorf

Bei der Magdeburger Volksstimme, sie gehört dem Bauer-Konzern, ging es in den letzten Jahren zu wie auf einem Verschiebebahnhof. Seit 1997 die Mitarbeiter/innen für einen Tarifvertrag und eine Angleichung an die Bezahlung ihrer Kolleg/innen im Westen streikten, ist es vorbei damit, dass alle, die an der Herstellung der Zeitung mitarbeiten, auch Kolleg/innen im selben Betrieb sind. Mittlerweile arbeiten die 400 Beschäftigten, die täglich die Magdeburger Volksstimme produzieren und in die Briefkästen und an die Kioske bringen, in gut zwei Dutzend Firmen. "Das Ziel von Heinz Heinrich Bauer ist es, so billig wie möglich zu produzieren und die Mitbestimmung auszuhebeln", sagt der Betriebsratsvorsitzende Thomas Laskowsky.

Seit Jahren gibt es in Magdeburg Um- und Ausgründungen - bis hin zur Ausgliederung der Druckerei. Und das ging so: Die Druckerei wurde mittels einer Sperrholzwand geteilt. Während auf der einen Seite der Druckbetrieb weiterlief, wurde auf der anderen Seite eine neue Druckmaschine aufgebaut. Zuvor war eine Personalfirma gegründet worden. Die lernte Personal an, um dann am 17. Januar 2011 von einer Schicht zur anderen die gesamten Druckaufträge der Volksstimme zu übernehmen - ohne Tarifbindung, ohne Mitbestimmung. Die bis dahin elf Drucker und acht Helfer erhielten die Kündigung zum 31. August und wurden noch am selben Tag beurlaubt. Unter ihnen auch der Betriebsratsvorsitzende Thomas Laskowsky, der 30 Jahre als Drucker bei der Volksstimme gearbeitet hat.

Der Betriebsrat hat sich von Anfang an gegen diese Konzernstrategie gewehrt, vor allem dagegen, dass es teure und billige Drucker gibt, die einzelnen Gesellschaften immer kleiner werden - und so die Mitbestimmung ausgehebelt wird. Es verging kein Jahr ohne Klagen gegen den Bauer-Konzern, erzählt Thomas Laskowsky. Ziel des Betriebsrates war es hauptsächlich, für das Unternehmen Volksstimme den Status des einheitlichen Betriebs mit einem gemeinsamen Betriebsrat zu bewahren.

Redaktionen ausgegliedert und zersplittert

Mit den Redaktionen der Volksstimme verfährt Bauer seit Jahren ebenso krude: Gründung von fünf Regionalverlagen im Jahr 2005. Und die wurden weiter untergliedert in eigenständige Gesellschaften, die nicht mehr betriebsratsfähig sind. Renate Wähnelt, sie arbeitet seit 20 Jahren als Redakteurin bei der Volksstimme, bekam im Zuge dieser weiteren Zergliederung als unbequeme Betriebsrätin keinen neuen Vertrag angeboten. Sie weiß aus anderen Unternehmen des Bauer-Konzerns, dass das "Entsorgen" von Betriebsräten und damit der Mitbestimmung längst Methode hat. Sie wird sich gegen den Verlust ihres Arbeitsplatzes und gegen die Geschäftspraktiken bei Bauer wehren. "Ziel ist es ja, die Gehälter der Redakteurinnen und Redakteure zu minimieren. Die neuen Verträge sind bedeutend schlechter und sehen einen stufenweisen Abbau der Einkommen vor", sagt sie. Die Redakteur/innen standen plötzlich vor der Alternative, einen schlechteren Vertrag anzunehmen oder erwerbslos zu sein. Sie schluckten die Kröte.

Was bedeutet dies nun für die journalistische Qualität der Zeitung? Da ist sich die Betriebsrätin mit vielen Kolleg/innen und Leser/innen einig: Die Magdeburger Volksstimme büßt an Qualität stark ein. Es gibt entschieden zu wenig Redakteure. Im Mantel der Zeitung steigt der Anteil von Agenturmeldungen, in den Lokalredaktionen arbeiten vor allem Pauschalisten. Die Redakteure haben kaum noch Zeit, ihre Schreibtische zwecks Recherche zu verlassen. Täglich müssen drei bis fünf Leute sechs bis acht Seiten füllen und bis zu 16 weitere, von Pauschalisten gelieferte Seiten bearbeiten und druckfertig machen. Auf Termine und auf Recherche müssen sie daher zwangsläufig vor allem die Volontäre und Praktikanten schicken.

Es wird zunehmend schwerer, sorgfältige journalistische Arbeit zu leisten, kritisch Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu betrachten. "Diese Praktiken sind auch ein Angriff auf die Pressefreiheit und Meinungsvielfalt in Sachsen-Anhalt", kommentiert Michael Kopp, der ver.di-Fachbereichsleiter Medien, Kunst und Industrie im Landesbezirk. Die beiden Betriebsräte klagen mit ver.di-Hilfe gegen ihre Entlassung und die ihrer Kolleg/innen. Sie kämpfen weiter gegen die Zerschlagung der Zeitung und für einen Sozialplan. Und dafür gehen sie natürlich auch an die Öffentlichkeit.