Ausgabe 06/2011
Weniger Geld, länger arbeiten
Athina Mitani
BAYERN | Der Postvorstand versucht mit Placebo-Beruhigungspillen die Beschäftigten des Konzerns bei der Briefsortierung in falscher Sicherheit zu wiegen. Angeblich können alle ruhig schlafen gehen, da sich die Kolleginnen und Kollegen angesichts auslaufender Tarifverträge nicht sorgen müssen. Sieht man jedoch genauer hin, ist alles andere eher wahrscheinlich, als dass die Beschäftigten der Gesellschaft Deutsche Post InHaus Services GmbH (ehemals Williams Lea Inhouse Solutions GmbH) künftig beruhigt sein könnten.
Zum 1. Mai 2011 wurden die Gesellschaften der Williams Lea im Unternehmensbereich Brief der Deutschen Post AG organisiert. Laut Aussage des Konzernvorstandes kein Grund zur Beunruhigung - diese Reorganisation habe keinerlei negative Folgen für die Beschäftigten. Mittlerweile steht aber fest, dass Williams Lea bis spätestens 31. Dezember 2011 aus allen Arbeitgeberverbänden Speditionen und Logistik bundesweit austreten wird. Diese Reorganisation soll zunächst für alle neu eingestellten Beschäftigten peu à peu 20 Prozent weniger Lohn einbringen. Aber nicht nur das: Es sollen die Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden erhöht, die Urlaubstage von 28 bis 30 auf 20 Tage gekürzt sowie die Sonderzahlungen Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen werden.
In München arbeiten etwa 97 Beschäftigte unter dem bisherigen Tarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern bei Williams Lea. Noch einmal die gleiche Anzahl mit den gleichen Tätigkeiten arbeiten direkt bei der Post AG; für sie gilt auch der Tarifvertrag der Post AG, das bedeutet einen Stundenlohn von rund 14 Euro. Erstere 97 Beschäftige sollen jetzt aber aus dem Speditions-Tarifvertrag in den Tarifvertrag Postdienste überführt werden, das heißt statt bisher 11,18 Euro pro Stunde nur noch 8,40 Euro. Sozusagen doppelt bestraft. Gleiche Arbeit - gleiches Geld: Fehlanzeige.
Zulauf für die Gewerkschaft
Athina Mitani, Betriebsrätin bei Williams Lea, sagt: "Viele der Beschäftigten sind unter den jetzigen Bedingungen schon auf Nebenjobs angewiesen. Eine weitere Absenkung der Löhne bedeutet für die Kolleginnen und Kollegen einen hohen Verlust an Lebensqualität. Zudem befürchten sie, versetzt zu werden, oder dass ihr Arbeitsplatz ganz wegfällt. Die Menschen, die hier arbeiten, haben wirklich große Existenzängste."
Den Postvorstand scheinen die Existenzängste eines Teils der Beschäftigten nicht zu berühren. Leiharbeit, Outsourcing, Umstrukturierungen, Lohndumping stehen auf der Agenda, die Auswirkungen tragen die Angestellten der Unternehmen. Das ist nicht nur bei der Post so. Generell gilt mittlerweile im Dienstleistungsbereich: "Billig will ich, koste es, was es wolle."
Die Beschäftigten von Deutsche Post InHaus Services GmbH versuchen jetzt, sich gemeinsam mit ver.di zu wehren. Viele sind Gewerkschaftsmitglied geworden und wollen dem Lohnraub entgegentreten. "So einfach wollen wir es dem Vorstand nicht machen. So lange wir noch eine Chance sehen, die Verschlechterungen zu verhindern, werden wir kämpfen", sagt Athina. Nicht nur in München ist dies so, auch in Erlangen und Nürnberg gibt es Kolleginnen und Kollegen, die sich wehren. Tina Scholze