Ausgabe 08/2011-09
Arbeit gerechter verteilen
Wie viel und wie lange wollen wir arbeiten?
"Wir brauchen eine neue gesellschaftliche Debatte um die gerechte Verteilung von Arbeit." Detlef Ahting, ver.di-Landesleiter in Niedersachsen-Bremen, fordert auch die Verkürzung der Arbeitszeit in allen Formen. "So kann die Massenarbeitslosigkeit effektiv bekämpft werden." Ahting setzt dabei auf betriebliche, tarifliche und gesetzliche Lösungen. Vom ver.di-Bundeskongress im September erhofft er ein deutliches Signal.
Der Arbeitsalltag ist inzwischen von immer längeren Arbeitszeiten geprägt und laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit von jährlich 2,5 Milliarden bezahlten und unbezahlten Überstunden. "Wenn in einigen Branchen, wie zum Beispiel in der Pflege, im Schnitt weit über 40 Stunden gearbeitet wird, dann ist das nicht in Ordnung", sagt Athing. Zwei Jahre nach dem Tiefpunkt der Finanzmarktkrise wollen Politik und Arbeitgeber nichts mehr von den nachweisbaren Erfolgen der Arbeitszeitverkürzung wissen. Stattdessen versuchen sie Arbeitszeitverlängerungen durchzusetzen.
Für den Wirtschaftswissenschaftler Heinz-Josef Bontrup der falsche Weg: "Ohne Arbeitszeitverkürzungen wäre die Arbeitslosigkeit um über eine Million gestiegen." Nach Bontrups Berechnungen gab es 2010 trotz des angeblichen Wirtschaftsaufschwungs neben den 3,2 Millionen offiziell arbeitslos gemeldeten rund 1,7 Millionen Menschen, die verdeckt arbeitslos waren oder zur stillen Arbeitsmarktreserve gehörten. Damit waren nahezu fünf Millionen Menschen auf der Suche nach Arbeit - Grund genug, Arbeitszeitverkürzung als wirksames Instrument gegen Massenarbeitslosigkeit und drohenden Fachkräftemangel zu fordern, auch als Mittel gegen Burnout-Phänomene und als Chance, Beruf und Familie besser zu vereinbaren.
"Arbeitszeitverkürzung in allen Formen und die Verteilung von Arbeit muss wieder auf die Tagesordnung von Politik und Gewerkschaften gesetzt werden." Bei einer Konferenz von Gewerkschaftern, Wissenschaftlern und Attac im September in Hannover war dies Schlussfolgerung und gemeinsame Forderung zugleich.
Lösungen für die Zukunft
"Arbeitszeitverkürzung schafft Arbeitsplätze" oder "Arbeitszeitverkürzung ist der Wunsch der Mehrheit der Vollzeitbeschäftigten" - mit griffigen Slogans in ihrer Argumentationsfibel ABC der Arbeitszeitverkürzung bringt auch die Bremer Arbeitszeitinitiative von Arbeitnehmerkammer, DGB, ver.di, IG Metall, Kirchen und dem Netzwerk Attac diese gemeinsame Linie auf den Punkt. Aus ihrer Sicht soll Arbeitszeitverkürzung nicht nur Mittel zur Abwehr von Verschlechterungen im beruflichen Alltag sein, sondern offensiv zur Umverteilung von Arbeit genutzt werden. Viele ältere Arbeitnehmer und Frauen mit Kindern suchen Arbeit - gegenwärtig ohne große Erfolgsaussichten.
Dabei gibt es durchaus Betriebe, in denen zukunftsweisende Lösungen eingeführt worden sind: Modelle, bei denen Mitarbeiter zwischen befristeter und dauerhafter Teilzeit mit monatlichen Freizeitblöcken wählen können. Oder Konzepte wie "Zeit gegen Geld", bei dem zur Entscheidung gestellt wird, ob Stellen wegfallen sollen oder alle auf einen Teil der Arbeitszeit verzichten. Die Bremer Initiative hat es so formuliert: "Arbeitszeitverkürzung - geht doch!" Mehr Informationen unter: www.nds-bremen.verdi.de