Ausgabe 03/2012
Auf dem Weg zur Gesundheitsfabrik
Gesunde Demo in Marburg
Einen solchen Demonstrationszug haben die Mauern und Gassen von Marburg lange nicht mehr gesehen. Es ist ein politisch aufgewecktes Städtchen mit schönen Fachwerkhäusern und vielen Studierenden. Die Gewerkschaften mischen hier eifrig mit. Am 17. März drehte sich alles um das privatisierte Universitätsklinikum Marburg/Gießen. "Wir laden alle Beschäftigten und Bürgerinnen und Bürger in Gießen, Marburg und den Landkreisen ein, an dieser Demo teilzunehmen", hatte Marita Kruckewitt von ver.di aufgerufen. "Schließlich kann jeder mal Patient in einem Klinikum werden und hat nun die Möglichkeit, seinen Unmut über die katastrophalen Verhältnisse kundzutun." 2500 waren daraufhin gekommen und demonstrierten rund zwei Stunden quer durch die Stadt bis zum Rathaus am Marktplatz, wo man sich auch zu den Kundgebungen am 1. Mai trifft. Mit von der Partie waren Beschäftigte der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken aus Gießen und Wiesbaden, die ebenfalls kurz vor der Privatisierung stehen.
Unerträgliche Arbeitsdichte
Aktueller Anlass war die Ankündigung des Eigners Rhön-Klinikum AG, weitere 500 Arbeitsplätze an den beiden Standorten Marburg und Gießen zu streichen. Seitdem das Land Hessen die beiden Uni-Kliniken zuerst zusammengelegt und dann verkauft hat, geht es mit den Arbeitsbedingungen, mit der Patientenversorgung und auch mit der Forschung bergab. Ziel der Protestierenden sind gute Arbeitsbedingungen, die dann auch eine optimale pflegerische und medizinische Versorgung der Patient/innen ermöglichen. Der Trend ist aber gegenläufig.
Bettina Böttcher, die Betriebsratsvorsitzende in Marburg, beklagt eine "zunehmende Industrialisierung der Krankenhäuser." Die Arbeitsdichte werde für alle unerträglich. Auf der Kundgebung stellte die langjährige Krankenschwester Urte Sperling heraus, auf wie vielen Schultern der Klinikbetrieb ruht. Die Reinigungskraft und der Chefarzt, die medizinisch-technische Assistentin und der Koch, der Lagerist und die Verwaltungsarbeiterin, der Psychologe und der Informatiker - sie alle tragen ein Krankenhaus, werden aber an der Börse lediglich als "Kostenblock" angesehen.
Es braucht neue Konzepte, ebenso gesetzliche Personalmindeststandards für alle Krankenhäuser und eine bessere Finanzierung. "Ein harter Schlag", so Böttcher, "wenn ein Konzern 160 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet und dann weitere Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Beschäftigten austragen will." Inzwischen fordert der Magistrat der Stadt Marburg, die Privatisierung der Kliniken rückgängig zu machen.
reb