Politische Ökonomie der Alterssicherung | Jahrzehntelag war das System der deutschen Alterssicherung weitgehend unangefochten. Es beruhte auf dem Generationenvertrag, wonach die jeweils aktive Generation unmittelbar im sogenannten "Umlageverfahren" für die Finanzierung der jeweiligen Rentnerinnen und Rentner sorgt. Angesichts des hohen Finanzierungsvolumens witterte die Finanzwirtschaft hier ein großes Geschäft. Sie ließ seit den 1970er Jahren nichts unversucht, das bewährte System zu diskreditieren und eine Finanzierung über die Finanzmärkte als ebenso lukrativ wie alternativlos darzustellen. Die Politik folgte willig und subventionierte - etwa mit der Riester-Rente - auch noch den Umstieg in die private Rente.

Seit der Finanzmarktkrise und des Platzens der Finanzmarktblase wurde jedoch schlaglichtartig das Risiko deutlich, Alterssicherung über die Finanzmärkte zu organisieren. Christian Christen hat diese Entwicklung detailliert nachgezeichnet. Kenntnisreich, gut lesbar und aus einer interdisziplinären Perspektive werden historische und theoretische Entwicklungen erläutert. So wird die Reformdebatte um die Rente auch als spannendes Lehrstück über die Wirkungen und Folgen gezielter Interessenpolitik präsentiert. Das Buch hat das Zeug, zu einem Standardwerk zum Thema Alterssicherung zu werden. Norbert Reuter

Christian Christen: Politische Ökonomie der Alterssicherung. Kritik der Reformdebatte um Generationengerechtigkeit, Demographie und kapitalgedeckte Finanzierung, Metropolis Verlag, Marburg, 561 S., 29,80 €, ISBN: 978-3895188725

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Stresstest Deutschland | Es scheint in zu sein, dass man in Deutschland mit allem einen Stresstest machen muss. Daher kommt dieses Buch zu einem Titel, der davon ablenkt, dass es eine gute Bestandsaufnahme des aktuellen Zustands unserer Republik ist. Denn im Gegensatz zu anderen Stresstests will Jens Berger, freier Journalist und politischer Blogger, mit seiner Analyse nicht beruhigen, sondern aufrütteln. Und das gelingt ihm auf eindrucksvolle Weise in einer leicht verständlichen Sprache. Berger beschreibt anhand von verschiedenen Bereichen, was sich hierzulande verändert hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, was dazu beigetragen hat, dass vielerorts soziale Ungleichheit gespürt wird. Er zeigt, wie Krankenhäuser zu Profitcentern geworden sind, wie sich vermeintlich freie Medien in den Dienst von Politik und Wirtschaft stellen und wie Steuersenkungen in den vergangenen Jahren zu einer Umverteilung von unten nach oben geführt haben. Er zeigt auf 255 Seiten in knapper Form, was jeder Bürger, jede Bürgerin ahnt: Das etwas gewaltig schiefläuft in Deutschland. Er zeigt, wie die Eliten in allen Feldern versagt haben. Seine Schlussfolgerung: Er ruft die vermeintlich kleinen Bürger auf, sich endlich zu wehren und für ihre Rechte aktiv zu werden. Heike Langenberg

Jens Berger: Stresstest Deutschland. Wie gut sind wir wirklich?, Westend Verlag, Frankfurt/Main, 255 S., 16,99 €, ISBN 978-3864890024