Wolfgang Uellenberg-van Dawen ist bei ver.di Leiter des Bereichs Politik und Planung

Sie ziehen landauf, landab durch Säle und Talkshows, und ihr Kalkül scheint aufzugehen: Mit den Wahlen in Schleswig Holstein und Nordrhein Westfalen ist die FDP zumindest vorerst dem Absturz in die politische Bedeutungslosigkeit entronnen. Massive Medienunterstützung und viel Geld interessierter Kreise haben dazu beigetragen. Doch nicht nur das. Sogar auf Kosten der entlassenen Frauen der Schlecker-Kette haben sich die liberalen Helden profiliert, indem sie eine Transfergesellschaft verhinderten.

Ein kleiner Rückblick: Auf dem Höhepunkt der Krise 2009 katapultierte sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, CSU, quasi über Nacht in die Schlagzeilen und Kommentare der Medien. Als er sich nämlich einer staatlichen Rettungsaktion für den angeschlagenen Automobilhersteller Opel durch eine Bundesbürgschaft verweigerte. Gegen das - wie es hieß - Kartell der großen Parteien, gegen die Kanzlerin, gegen die mächtige Industriegewerkschaft Metall hatte der strahlende Gutsherr eine Milliardenhilfe aus Steuermitteln abgelehnt - und damit marktliberale Standfestigkeit demonstriert. Damals wurde deutlich: Wer sich, zumal in Krisenzeiten, zum mutigen Verteidiger der ach so geplagten Steuerzahler aufwirft, wenn es um staatliche Hilfen zur Rettung von Arbeitsplätzen geht, macht mehr Punkte als jene, die sich um konkrete Lösungen bemühen.

Mit der gleichen Absicht und Kälte haben die FDP-Wirtschaftsminister des Bundes und der Länder Bayern, Hessen und Niedersachsen überraschend und im letzten Moment eine Bürgschaft aller Länder abgelehnt, mit der ein Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Finanzierung einer Transfergesellschaft für die 11.200 Frauen auf den Entlassungslisten des insolventen Drogeriediscounters Schlecker abgesichert werden sollte. Dabei nutzten sie die weitgehende Unkenntnis des Publikums über den Sinn einer Transfergesellschaft. Was - und das forciert die FDP - nach einer Art soziale Hängematte klingt, hat seit Ende der siebziger Jahre in den Krisenregionen an Rhein und Ruhr, vor allem aber später in den neuen Bundesländern dafür gesorgt, dass Strukturbrüche bewältigt und Tausende, im Osten Zehntausende nicht von einem Tag auf den anderen in die Arbeitslosigkeit geschickt, sondern qualifiziert und auf neue Jobs vorbereitet werden konnten. Bei Schlecker war die FDP davor. Dabei hätte überhaupt kein Geld des Steuerzahlers für die Transfergesellschaft fließen sollen. Denn die sollte nach geltendem Recht aus dem Verkauf werthaltiger Schlecker-Ketten im Ausland finanziert und darüber hinaus aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds unterstützt werden. Und dass eine Transfergesellschaft Finanzmittel der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung spart, weil weniger Arbeitslosengeld fließen muss, kümmert die FDP-Strategen und ihre medialen Unterstützer einen feuchten Kehricht.

Skrupellos begründeten die FDP-Auguren ihre Ablehnung der Transfergesellschaft mit dem Verweis auf die angeblich hohe Nachfrage nach Arbeitskräften im Einzelhandel. Als hätten mehr als 11.000 Verkäuferinnen, die ihre Arbeit von einem auf den anderen Tag verlieren, Aussicht auf eine neue "Verwendung" (FDP-Chef Rößler), wenn laut Bundesagentur für Arbeit derzeit auf 25.000 offene Stellen im Einzelhandel rund 300.000 Bewerbungen kommen. Kaltschnäuzig auch das Lob der FDP auf die Vermittlungsleistungen der Bundesagentur, wenn man bedenkt, dass die gleiche Partei in ihrem Programm zur Bundestagswahl die Zerschlagung eben jener Institution gefordert hat. Dreist und frech vor allem Wahlkämpfer Christian Lindner, Spitzenkandidat der FDP in NRW, der sich gebetsmühlenhaft als Rächer des bedrohten Steuerzahlers aufspielt. Er selbst hatte aber keine Hemmungen, Steuermittel in Anspruch zu nehmen, als er vor zehn Jahren ein sogenanntes Start-up-Unternehmen in der New Economy in den Sand setzte, das mit eben solchen Krediten der KfW finanziert worden war.

Die FDP hat das Scheitern der Transfergesellschaft für die entlassenen Frauen bei Schlecker aus rein parteitaktischem Kalkül in Kauf genommen, ja, sie hat es zu verantworten. Um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen, um ihren Leuten Posten, Einfluss und Diäten zu sichern. Durch Wählertäuschung und auf Kosten von tausenden Frauen. Dieses kaltschnäuzige Kalkül ist - zumindest bei den Wahlen in Schleswig Holstein und NRW - aufgegangen. Kein schönes Zeugnis für unsere politische Kultur. Im Gegenteil: ein Armutszeugnis.

"Sogar auf Kosten der entlassenen Frauen der Schlecker-Kette haben sich die liberalen Helden profiliert"