Hier wurde Volker Mörbe der Mund verboten

Am 3. November 2011 war Volker Mörbe, freigestellter Personalrat am Klinikum Stuttgart, nach einer Personalrätekonferenz in das "KulturKaufhaus" der Firma Dussmann in der Berliner Friedrichstraße gegangen. Kurz zuvor hatten dort Beschäftigte der Charité Facility Management (CFM) einen Flashmob im Rahmen eines Arbeitskampfes veranstaltet, denn Dussmann ist neben der Charité Anteilseigner der CFM.

Mörbe gilt im ver.di-Fachbereich Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen als engagierter, aber stets besonnener und sehr rechtssicherer Gewerkschafter. Auslagerung von Klinik-Servicebereichen mit Niedrigstlöhnen für die Beschäftigten - diese Arbeitgeberpraktiken kennt er zu Genüge. Als ein anderer Kunde Volker Mörbe im Geschäft ansprach, entstand ein Gespräch über die Mitverantwortung der Firma Dussmann - für Mörbe "ein ganz normales Privatgespräch zwischen zwei Menschen in einem Buchladen".

Die Diskussion wurde von einem Polizisten mitgehört. Der forderte Mörbe plötzlich auf, die Unterhaltung zu beenden, ein "kundentypisches Verhalten" anzunehmen oder den Buchladen zu verlassen. Mörbe, selbst langjähriger ehrenamtlicher Landesarbeitsrichter, diskutierte daraufhin mit dem Polizisten, ob man in einem Buchladen ein Gespräch führen dürfe oder nicht.

Nur wenig später stellte ein Dussmann-Vertreter Strafanzeige. Mörbe wurde von uniformierten Polizisten abgeführt, musste vor dem Laden in einem Polizeiwagen seine Personalien angeben. Sein Gesprächspartner, der Dussman verteidigt hatte, blieb hingegen unbehelligt. Offensichtlich sollte dieses Vorgehen die CFM-Mitarbeiter, die gegen ihre Niedriglöhne streikten, einschüchtern.

Mörbe wurde wegen Hausfriedensbruchs angeklagt. Die politische Brisanz des eigentlich kleinen Vorfalls war groß, der Aufwand hoch: Der Gewerkschafter beauftragte eine Anwältin, die Staatsanwaltschaft musste ermitteln, Zeugen wurden geladen, mussten zum Gerichtstermin nach Berlin anreisen. Der Vorsitzende Richter aber machte kurzen Prozess: Er schickte die bestellten Zeugen wieder nach Hause, hatte keine Fragen zur Sache und stellte das Verfahren ein.

Mörbe bleibt mutig: "Niedriglöhne müssen in Arbeitskämpfen, aber auch im freien Meinungsaustausch bekämpft werden können. Wir lassen uns dabei nicht einschüchtern. Wir sind Gewerkschafter und ver.di steht hinter uns. Die CFM-Beschäftigten haben jetzt keine Stundenlöhne unter 7,50 Euro mehr. Und der Versuch der Firma Dussmann, meinen Meinungsaustausch zu kriminalisieren, ist kläglich gescheitert."

Brief an Wowereit

Nach dem Vorfall hat Volker Mörbe einen Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), geschrieben. Das Land ist alleiniger Eigentümer der Charité, der wiederrum zu 51 Prozent die Charité Facility Management (CFM) gehört. Auszüge aus Mörbes Brief:

"(...) Nur die unsägliche Einmischung der Polizei und der offensichtliche Wille, etwas Einschüchterndes für den Polizeibericht für die Presse zu haben, hat mir die Anzeige eingebracht. Ich fühle mich auf Grund meiner gewerkschaftlichen Meinung von der Berliner Polizei kriminalisiert und erheblich in der Ausübung meiner Grundrechte beeinträchtigt.

Ich bitte Sie daher, als Regierender Bürgermeister von Berlin zu diesem Vorgang Stellung zu nehmen.

In Stuttgart ist es selbstverständlich, dass ich auch in Anwesenheit von Polizisten als Gewerkschafter angstfrei meine Meinung sagen kann. Diese Sicherheit habe ich in Berlin verloren. Ich habe mich der Berliner Polizei willkürlich ausgeliefert gefühlt. Was ist los in Berlin? Das Land Berlin hat nicht nur Arbeitgeberfunktion, sondern muss auch gewerkschaftliche Grundrechte absichern. Die Polizei ist der Sicherung dieser Grundrechte verpflichtet und nicht den Geschäftsinteressen des Landes Berlin und deren Geschäftspartnern.

Ich hatte zeitweise den Eindruck, die Polizisten agieren weisungsgebunden für die Firma Dussmann und agieren eigenständig gegen dussmannkritische Äußerungen. Es kann doch nicht sein, dass der Eindruck entsteht, die Berliner Polizei sei Handlanger der Interessen der Firma Dussmann in einem Tarifkonflikt, nur weil Dussmann mit dem Land Berlin zusammen eine Firma mit Dumpinglöhnen betreibt. Dass sie Unbeteiligte mit Strafandrohung einzuschüchtern versucht, nur weil diese auf der Seite der betroffenen Arbeitnehmer argumentieren. (...)"

In der Antwort verweist die Senatskanzlei auf den Prozess. Der vollständige Brief von Volker Mörbe an Klaus Wowereit kann unter http://publik.verdi.de heruntergeladen werden.