Kampfeslustig und mit Kampfente sind die Callcenter-Kolleg/innen vor die Zentrale des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes gezogen

Als Verhandlungsführer Stefan Wittmann den Streikenden der S-Direkt am 22. August das neue Angebot des Arbeitgebers vorstellt, blickt er in fassungslose Gesichter. 8,50 Euro pro Stunde sollen die Beschäftigten des Callcenters der Sparkassen bekommen - aber nur die, die schon zehn Jahre dort arbeiten. Von den 269 Streikenden, die an diesem Tag aus Halle mit zu den Verhandlungen nach Berlin gereist sind, würden ganze sieben von diesem Angebot profitieren, ergibt eine spontane Umfrage. Alle anderen müssten weiter auf die Lohnerhöhung warten, einige bis 2016. Ein minutenlanges Pfeifkonzert der Beschäftigten macht klar, dass sie auch dieses Angebot ablehnen. Sie können nicht verstehen, dass der Arbeitgeber auch nach mehreren Verhandlungsrunden und vielen Streiktagen noch nicht verstanden hat, worum es ihnen bei ihren Forderungen gehen.

Lachhaft und kränkend

Auch bei einer weiteren Verhandlungsrunde am 29. August bewegte sich der Arbeitgeber mit seinem Angebot nicht wesentlich. Daraufhin zog ver.di alle bisher unterbreiteten Kompromissangebote zurück. Wittmann kündigte an, er werde dem Sprecher der Geschäftsführung der S-Direkt, Thomas Henkel, jetzt einen unterschriftsreifen Vertrag schicken. Wenn Henkel ihn unterschreiben wolle, könne er sich bei ihm melden. Bis dahin werde weiter gestreikt. In den kommenden Wochen wollen die Streikenden alle Aufsichtsräte der S-Direkt in ihren Filialen besuchen.

Rund 800 Beschäftigte arbeiten in dem Callcenter. Sie übernehmen Telefongespräche für Sparkassen bundesweit und betreuen die zentrale Telefonnummer 116116, bei der Kredit- und EC-Karten gesperrt werden können. Eine der Beschäftigten ist Jenny Fessel. "Lachhaft und kränkend" findet sie die Arbeitgeberangebote. "Wir fordern etwas, was machbar wäre. Aber die Geschäftsführung will uns als kleine Ameisen hinstellen, die nichts wert sind", sagt die 27-Jährige.

Seit 15 Jahren liegen die Gehälter unverändert bei 1280 Euro im Monat für 40 Stunden pro Woche. Selbst für viele Vollzeitbeschäftigte bedeutet das, dass sie ihr Einkommen mit staatlichen Leistungen aufstocken müssen. 8,50 Euro fordert ver.di für die Beschäftigten in dieser Tarifrunde, möglichst schnell soll die Summe auf neun Euro pro Stunde steigen. "Wir erbringen qualifizierte bankfachliche Dienstleistungen, das sollte sich auch in der Bezahlung widerspiegeln", sagt der Betriebsratsvorsitzende Thomas Bittner. In den bisherigen Vorschlägen der Arbeitgeber kann er keine Bewegung erkennen.

Dabei geht es den Beschäftigten nicht allein um mehr Geld. "Mir macht die Arbeit Spaß", sagt Andrea Barton, die seit sechs Jahren für S-Direkt arbeitet. Doch neben dem Gehalt würden auch die Arbeitsbedingungen nicht stimmen. Sie arbeitet mit 150 anderen Leuten in einem Großraum.

Nichts Utopisches verlangt

Durch die Telefongespräche und ständige Arbeitsplatzwechsel auch während der Arbeitszeit leidet die Konzentration. Hinzu kommen viele Überstunden, regelmäßig auch am Wochenende. Die Arbeitsstunden können aber nur abgebummelt werden, wenn es dem Arbeitgeber ins Konzept passt. Gerne würde Andrea Barton, wie viele ihrer Kolleg/innen, ihre Arbeitszeit aufstocken, aber der Arbeitgeber sagt, das gehe nicht. Ebenso wie Jenny Fessel streikt sie mit - von Anfang an. Beide Frauen würden gern an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, doch erst, wenn das Ergebnis stimmt. "Wir verlangen doch nichts Utopisches", sagt Andrea Barton. "Neun Euro die Stunde und das möglichst bald, das ist doch nicht unverschämt." Also werden sie in Halle weiterstreiken.

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