Ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 20. September trifft auf Unverständnis: Nach zweijährigem Rechtsstreit durch die Instanzen verlangen die Karlsruher Richter von der Deutschen Post AG, mit der sächsischen NPD-Landtagsfraktion einen Rahmenvertrag abzuschließen und deren Druckschriften als Postwurfsendung zu verteilen. Die Post AG sei zur Zustellung verpflichtet.

Juristisch ist dem Problem schlecht beizukommen: Postdienstleistungen seien jedermann zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen, erklären die Bundesrichter und verweisen auf die Pressefreiheit, die "keine Differenzierung nach Meinungsinhalten zulasse". Zudem haben sie den gewünschten Versand der Nazi-Sendung, die an 200 000 Leipziger Haushalte mit Tagespost verteilt werden sollte, als Post-Universaldienstleistung eingestuft. Solche muss die DPAG erbringen.

Jedoch gibt es Ausnahmen. Ausgeschlossen wäre die Beförderung solcher Massendrucksachen, wenn Inhalt oder Aufmachung gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen oder rassendiskriminierend sind. Dazu hatte die Post im Verfahren nichts Detailliertes vorgetragen, aber genau da sieht ver.di-Vize Andrea Kocsis eine Möglichkeit, einzuhaken: Es sei "nun sehr sorgfältig zu prüfen", ob solche Sendungen aus der Beförderungspflicht fallen. Insofern sei der Richterspruch "kein Freibrief für Volksverhetzung". Die Post AG sei "aufgerufen, weiter Courage zu zeigen" und Beschäftigte zu informieren. ver.di-Betriebsgruppen sollten sich mit Kol-leg/innen solidarisieren, die von solchem Zustellzwang betroffen wären.

Courage zeigen können darüber hinaus Empfänger unerwünschter Nazi-Postillen. Da es sich um unadressierte Werbesendungen handelt, reicht zunächst ein einfacher "Keine Werbung"-Aufkleber oder ein Eintrag in die "Robinsonliste", sich die Zustellung zu verbitten. Verbraucherschützer empfehlen darüber hinaus, nach erstmaligem Erhalt per Einschreiben mit Rückschein direkt beim Absender Unterlassung zu fordern. Hält sich die NPD nicht daran, könnte nach Klage empfindliches Bußgeld fällig werden. neh

Az I ZR 116/11