Achtung: Diese Werbung wirbt für eine Reise in den Krieg

Die Nachwuchswerbung der deutschen Streitkräfte provoziert in Zeiten laufender Kriegseinsätze zunehmend Konflikte

Sind Sie ein Abenteurer? Lieben Sie die Berge, oder sollte es lieber das türkisfarbene Mittelmeer sein? Dann ist ein Job bei der Bundeswehr vielleicht das Richtige für Sie. Vergessen Sie mal für einen Moment die – inoffiziell – 53 toten Soldaten seit Beginn des deutschen Kriegseinsatzes in Afghanistan vor zehn Jahren. Davon wollen wir uns die Laune doch nicht verderben lassen. Zumindest nicht im Abenteuer-Lager der Bundeswehr, für das die Kinder- und Jugendzeitschrift Bravo aus dem Heinrich-Bauer-Konzern dieses Jahr schon zum wiederholten Male geworben hat. 30 junge Leute wurden im September für die "Bw-Adventure Camps" in den Alpen oder auf Sardinien ausgelost. Doch jetzt hat die vermeintlich jugendgerechte Rekrutierung eine heftige Debatte provoziert.

Die "Adventure Camps" sind Teil der Bundeswehr-Strategie, neue Soldatinnen und Soldaten anzuwerben. Nach der Abschaffung der Wehrpflicht Mitte vorigen Jahres wurde die Truppe äußerst kreativ in der Nachwuchswerbung: Knapp ein Dutzend Public-Relations-Trucks im blau-gelben Bundeswehr- design fahren durch die Republik, Offiziere gehen in Schulklassen, und Schülergruppen besuchen Kasernen. Trat man einst - mehr oder minder begeistert - einmal im Jahr bei den Bundesjugendspielen an, können sich Schüler/innen heutzutage bei den "BW Olympics" bewähren. Selbst Grundschüler sind von der Reklameoffensive der deutschen Armee nicht ausgenommen. Sie können "Friedensengel" basteln und den Soldaten an die Front schicken. Rund 500 Männer und Frauen vom militärischen und zivilen Personal der Bundeswehr sind inzwischen in der Nachwuchsarbeit tätig.

Die Bundeswehr-Kampagne der Bravo hat nun viele Kritiker/innen auf den Plan gerufen. Man habe auf die Aktion "eini-germaßen empört reagiert", sagte Martina Schmerr, Referentin für den Bereich Schule bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegenüber der Deutschen Welle. Die Gewerkschaft beobachte seit geraumer Zeit, wie die Bundeswehr "in alle Lebensbereiche von Jugendlichen eintritt und versucht, Werbung für ihre Zwecke zu machen". Dabei setzten die Werber auf Spaß, und die Realität, die Konsequenzen und die Todesgefahr während eines Bundeswehreinsatzes würden verschwiegen. Die GEW ist auch deswegen Teil eines Aktionsnetzwerks gegen die Präsenz der Armee in Schulen und Hochschulen.

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Das Problem bewegt sich freilich stärker auf der politischen und womöglich emotionalen Ebene, als dass ihm presserechtlich beizukommen ist. "Für uns ist die Trennung von Werbung und Redaktion wichtig", erklärt Arno Weyand, Referent beim Deutschen Presserat. Es müsse eben nur ein "vorhandenes Eigeninteresse" erkennbar sein, "etwa durch ein Logo". Die in Ziffer 7 des Deutschen Pressekodex‘ geforderte Trennung von werblichen und redaktionellen Inhalten ist bei der Bravo-Bundeswehr-Aktion also gegeben. Ähnlich äußert sich die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalisten-Union (dju) in ver.di, Cornelia Haß: "Solcherlei Werbung ist zunächst Teil der Meinungsbildung." Etwas anderes seien Bundeswehr-Aktionen in Schulen.

Diese Unterscheidung zwischen den verschiedenen Rekrutierungsstrategien der Truppe machen nicht alle Beobachter. Monty Schädel, politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), beobachtet die Werbemaßnahmen der Bundeswehr seit Jahren mit zunehmendem Unmut: "Dazu gehört ja auch, dass die Bundeswehrführung inzwischen acht Kooperationsabkommen mit Bildungsministerien der Länder geschlossen hat", sagt der Friedensaktivist: Die Werbeleute der Armee schalteten inzwischen Anzeigen in Schülerzeitungen und veranstalteten Spaßaktionen auf Volksfesten. "Nur eines sagen sie nicht", so Monty Schädel: "Dass es um Krieg geht und darum, zu lernen, wie man Menschen tötet." Auch GEW-Referentin Schmerr fordert ein Gegengewicht durch Friedensarbeit. Doch wer soll das bezahlen? Die Bundeswehr soll sich die Kooperation mit der größten deutschen Jugendzeitschrift allein in diesem Jahr rund 200 000 Euro kosten lassen haben. Für den Heinrich-Bauer-Konzern geht es um viel Geld.

Voll krasse Jugendsprache?

Bei der Bundeswehr selbst trifft die jüngste Protestwelle auf Unverständnis. Die Kampagne in der Bravo erfülle die gesetzlichen Rahmenbedingungen, sagte der Leiter des "Zentrums Nachwuchsgewinnung Ost", Ulrich Karch, der Nachrichtenagentur AFP. Im Übrigen laufe die Aktion schon seit acht Jahren. Die Kritiker ficht das nicht an: "Ob die Bundeswehr mit der Bravo wirklich ihre Zielgruppe erreicht und ob die bemühte ‚voll krasse' Jugendsprache Interessenten anspricht, muss die Bundeswehr selbst beurteilen", meint Thomas Wiegold, der den Bundeswehr-Blog www.augengeradeaus.net betreibt. Die Werbeaktion vermittele allerdings ein Bild von Streitkräften, das mit der Wirklichkeit und den Herausforderungen und Gefahren militärischer Auseinandersetzungen wenig bis gar nichts zu tun habe. "Kampfeinsätze in Afghanistan kann man als richtig oder falsch ansehen – aber nicht als krass cool", so Wiegold.

Diese Auffassung vertritt auch das Kinderhilfswerk "terre des hommes". Es hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) aufgefordert, die "fragwürdige Kampagne" zu stoppen. Die "irreführende Werbung" verstoße mutmaßlich gegen die Kinderrechte-Konvention der UNO.

Harald Neuber