Ausgabe 07/2012
Die ganze Behandlung aus einer Hand
Fresenius ist ein Großkonzern im Bereich Gesundheit. 160.000 Beschäftigte in über 100 Ländern weltweit, davon rund 30 Prozent in Deutschland. Pro Jahr macht der Großkonzern einen Umsatz von mehr als 16 Milliarden Euro. Die Helios-Kliniken gehören ebenso dazu wie medizinische Dienstleistungen und Produkte. Damit kann er als einziger Konzern in Deutschland eine komplette Wertschöpfungskette im medizinischen Bereich anbieten.
So kann es gehen: Eine 42-jährige Angestellte, nennen wir sie Anke Schulten, ertastet einen Knoten in ihrer Brust. Sofort geht sie zu ihrer Frauenärztin. Und hat damit einen ersten Schritt in die Fresenius-Welt getan. Denn ihre Frauenärztin ist angestellt in einem Medizinischen Versorgungszentrum von Helios, einer Fresenius-Tochter. 32 solcher medizinischen Versorgungszentren betreibt Helios bundesweit. Hinzu kommen vier weitere der ebenfalls zu Helios gehörenden Damp-Kette. Hier praktizieren Fachärzte in ambulanten Einrichtungen. Nicht nur Helios, auch viele andere öffentliche und private Krankenhäuser nutzen solche medizinischen Versorgungszentren, sagt Niko Stumpfögger, ver.di-Konzernbetreuer für Fresenius. Diese seien häufig bei Krankenhäusern angesiedelt und könnten ihre ambulanten Leistungen bei den Krankenkassen teuer abrechnen, so als seien sie im Krankenhaus erbracht worden.
Helios verfolgt mit den nicht direkt am Krankenhaus angesiedelten Fachärzt/innen in medizinischen Versorgungszentren noch eine andere Strategie. Sie sollen nötige weitere Behandlungen möglichst in Helios-Kliniken vermitteln. So empfiehlt die Frauenärztin ihrer Patientin Anke Schulten, sich in einer 30 Kilometer entfernten Helios-Klinik untersuchen zu lassen, obwohl es in kürzerer Entfernung ein Brustkrebszentrum eines städtischen Klinikums gibt. Zwar können Ärzte wie Krankenhäuser in Deutschland frei gewählt werden, aber in ihrer Situation folgt Anke Schulten dem Rat der Ärztin, der sie vertraut.
Im Krankenhaus wird Anke Schultens Befürchtung bestätigt. Sie hat einen bösartigen Tumor in der linken Brust, sie muss operiert werden. Während der Operation kommt eine weitere Fresenius-Tochter zum Zuge: Die Infusionen stammen aus der Produktion von Fresenius Kabi, einem Unternehmen, das sich auf die Produktion von Infusionen, künstlicher Ernährung und der dafür notwendigen Geräte spezialisiert hat. Auch die Infusionen, die Anke Schulten bei der anschließenden Chemotherapie erhält, sind Fresenius Kabi-Produkte. Für Fresenius hat der Einsatz innerhalb des Konzerns den Vorteil, dass keine Umsatzsteuer anfällt.
Davon profitiert auch die dritte Fresenius-Tochter. Fresenius Medical Care hat sich auf Produkte und Dienstleistungen für die Dialysebehandlung spezialisiert. Hinzu kommt Fresenius Vamed als weiterer Türöffner für Fresenius-Produkte. Diese Tochter bietet Projektmanagement für Krankenhäuser und Gesundheitszentren an, die nicht zu der Gruppe gehören. Das können städtische Krankenhäuser sein, die mit Medizintechnik ausgestattet werden, oder die schlüsselfertige Übergabe von Erweiterungsbauten bestehender Krankenhäuser, errichtet in öffentlich-privaten Partnerschaften und danach gegen Entgelt für mehrere Jahrzehnte von Vamed betrieben.
Zweifel an Rundumversorgung
Auch bei der anschließenden Reha-Kur bleibt Anke Schulten in der Fresenius-Welt. Zu den 72 Kliniken, die Helios betreibt, gehören nicht nur akutmedizinische, sondern auch Reha-Einrichtungen. Anke Schultens Wahl fällt auf ein Helios-Haus, natürlich auf Empfehlung des Krankenhausarztes.
Somit hat Fresenius den gesamten Verlauf von Anke Schultens Krankheit begleitet. "Wir haben den Eindruck, dass Fresenius und andere private Krankenhauskonzerne versuchen, eine Patientin möglichst im eigenen Konzern über den gesamten Krankheitsverlauf zu behandeln", sagt Ellen Paschke, im ver.di-Bundesvorstand auch für die Krankenhäuser zuständig. "Mit Sorge beobachten wir, dass der Renditedruck in diesen Unternehmen immer stärker wird. Bei den Kolleg/innen in Servicebetrieben wird das ganz aggressiv betrieben. Nur bei der Krankenversorgung wird versichert, dass damit ausschließlich das Wohl der Patienten verfolgt wird. Ich habe da so meine Zweifel."
Was der Konzern als "Leistungen aus einer Hand" beschreibt, sehen Kritiker/innen als Monopol. Eins ist klar, finanziert wird der Gewinn der börsennotierten Fresenius AG aus Krankenkassenbeiträgen. In Zukunft kann das Angebot des Konzerns noch weiter ausgedehnt werden. Fresenius will vom ebenfalls privaten Konkurrenten Rhön-Klinikum AG die Idee übernehmen, eine Krankenzusatzversicherung anzubieten. Wer mit seiner Behandlung bewusst innerhalb des Konzerns bleibt, wird dann mit Zusatzleistungen belohnt.