BERLIN | "Viele Beschäftigte sind psychisch und physisch am Ende", sagt Jochen Knuth, Personalrat im Jobcenter Berlin-Pankow. Er und die 60.000 Mitarbeiter/innen in den Jobcentern bundesweit versuchen, Millionen Jobsuchenden aus der Arbeitslosigkeit zu helfen. Das schlaucht, wenn man sich ausrechnet, wie viele Erwerbslose auf einen Berater wie Jochen Knuth kommen. Doch jetzt droht vielen von ihnen selbst das berufliche Aus. Weil sie nur befristet beschäftigt sind, entweder bei der Bundesagentur für Arbeit, bei Kommunen oder Landkreisen. Nach zwei Jahren laufen die Verträge spätestens aus, die befristet Beschäftigten werden entlassen oder, wenn sie Glück haben, beim jeweils anderen Träger erneut für zwei Jahre beschäftigt.

Um diese Situation zu beenden, haben die Personalräte der 306 Jobcenter in Deutschland Unterschriften gesammelt. Die Liste werden sie bei der vierten Konferenz der Jobcenter-Personalräte im März in Berlin an die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen, CDU, übergeben. Die Personalräte und Beschäftigten fordern darin die "sofortige Entfristung aller befristeten Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund und eine bedarfsgerechte Personalausstattung in den Jobcentern".

Hohes Wissen und hohe Verantwortung

Mitarbeiter/innen der Jobcenter unterstützen und beraten seit 2005 Arbeitssuchende und deren Familienangehörige in Fragen der Grundsicherung des Lebensunterhaltes. Die mit der Hartz-IV-Reform eingeführten komplizierten Rechtsvorschriften und Beratungsfälle erfordern viel Wissen und Verantwortung, denn von den Ergebnissen der Bescheide hängen Existenzen ab. Jeder Cent zählt, wenn man wenig zum Leben hat. Erwerbslose müssen sich auf eine korrekte Beratung verlassen können.

Woher aber soll das Wissen um die komplizierten Verwaltungsakte kommen, wenn das Personal regelmäßig ausgetauscht wird, weil Befristungen auslaufen? Die Einarbeitung der Neuen in die Hartz-IV-Bestimmungen dauert ein halbes Jahr. Oft aber werde die Einarbeitungszeit aufgrund der sowieso bestehenden Personalnot drastisch gekürzt, was zu Lasten der Qualität gehe, sagt Uwe Lehmensiek von der Bundesgeschäftsstelle der Jobcenter-Personalräte in Hannover.

"Wir wollen gute Vermittlungs- und Integrationsarbeit leisten. Das geht nicht, wenn das Personal ständig neu geschult werden muss", kritisiert Jochen Knuth die unerträgliche Situation. Zwar wolle die Bundesagentur für Arbeit angeblich "nur" zehn Prozent der Stellen befristen, so Uwe Lehmensiek, doch tatsächlich sind es in vielen Ämtern bis zu 20 Prozent. Am stärksten betroffen seien Nordrhein-Westfalen und Berlin, wo Jochen Knuth beschäftigt ist.

Die Doppelmoral der Politik

Das Bundesarbeitsministerium rechtfertigt die hohe Zahl der befristeten Stellen mit mangelndem Bedarf, denn angeblich ist die Arbeitslosigkeit rückläufig. Tatsächlich rechnet das Ministerium aus den Statistiken einfach tausende Arbeitssuchende heraus, weil sie sich gerade in einer Schulung befinden, die Altersgrenzen überschritten haben oder in einem Niedriglohnjob untergekommen sind. Als so genannte Aufstocker müssen sie die Jobcenter dennoch aufsuchen.

Und die Zahl derjenigen steigt, die eine prekäre Beschäftigung haben und Zuschüsse zum Leben beantragen müssen. "Immer mehr Menschen können von ihren Löhnen nicht leben und suchen die Beratung in den Jobcentern auf", sagt Jochen Knuth. "Dafür brauchen wir geschultes, fest angestelltes Personal."

Die Doppelmoral der Politik müsse ein Ende haben, fordert Uwe Lehmensiek. "Befristungen im Jobcenter widersprechen dem eigenen sozialpolitischen Auftrag zur dauerhaften Integration in Arbeit und verhindern eine vernünftige Lebens- und Familienplanung der Betroffenen."

Marion Lühring