Ausgabe 02/2013
Neue Energien freisetzen
In den kommunalen Verwaltungen ist das Problem inzwischen massiv angekommen. Sozialarbeiter und Pädagogen stehen unter starkem psychischem Druck, auf den reagiert werden muss; auch Straßenbauer, Baumpfleger oder Müllentsorger wissen nicht, wie sie den Job bis zur Rente mit 67 überhaupt durchziehen sollen. Körper oder Geist machen oft schon vorher schlapp, wenn die Tätigkeiten nicht ans Alter angepasst werden.
Die Kommune habe endlich eingesehen, dass sie etwas ändern muss, sagt Inken Franke, Personalratsvorsitzende der Stadtverwaltung Jena. Der Altersdurchschnitt der dortigen Kollegen in der Abfallbeseitigung, Städtereinigung, Grünabteilung und im Tiefbau liegt bei 47 Jahren. Kaum jemand ist jünger. Die zu erwartenden hohen Krankenstände kommen die Verwaltung teuer zu stehen: "Das war der Auslöser, etwas zu tun." Und sich mit ver.di zusammenzutun.
Denn bereits seit 2011 entwickelt ver.di in Zusammenarbeit mit einigen kommunalen Verwaltungen und Betrieben in einem Modellprojekt Lösungen, wie alternsgerechtes Arbeiten praktisch umgesetzt werden kann. Beteiligt sind aktuell der Landkreis Osnabrück und die Städte Bochum, Konstanz, Wolfsburg, Marburg und Jena sowie ein Landesbetrieb für Straßenbau aus Neunkirchen. Am 7. März haben sich die Projektteilnehmer in Frankfurt am Main erneut getroffen.
Die Biotonne kann rollen
Natürlich setze sich ver.di weiterhin dafür ein, das Renteneintrittsalter wieder zu senken, sagte Renate Sternatz von ver.di gleich zu Beginn des Treffens. Zusätzlich aber müssten auch gute betriebliche Modelle für alternsgerechtes Arbeiten her.
Nach einem Jahr im Projekt können in Jena die ersten Fortschritte verzeichnet werden, die den Kolleg/innen die Arbeit erleichtern: Die neuen Niederflurfahrzeuge haben einen tieferen, bequemeren Einstieg in die Fahrerkabinen. Laubsäcke aus Papier wurden abgeschafft und durch rollbare Biomülltonnen ersetzt. Beim Einkauf von Arbeitsgeräten werden nun die Beschäftigten einbezogen. Und im Tiefbau, wo man nur bis Mitte 50 arbeiten kann, wurde inzwischen der Arbeitsplatz "Straßenbegeher" eingerichtet, um so das Knowhow der Alten zu nutzen. "Die kennen sich aus und begutachten etwa die Schlaglöcher und Straßenschäden", sagt Franke.
Im Saarland gibt es mittlerweile "Radwegetrupps", die den Zustand von Schildern und Bewuchs kontrollieren. Es gibt Kolonnen, die an Raststätten kleinere Reparaturen, Heckenbeschnitt und Reinigungsarbeiten erledigen. Und es gibt immer mehr Weiterbildungsan- gebote, um ältere Menschen aus körperlich anstrengender Tätigkeit rauszuholen.
"Tätigkeitsprofile im zeitlichen Verlauf" fordert Rolf Übelhör, Personalrat der Stadt Köln. Von vorneherein müsse für das gesamte Berufsleben geplant werden, um belastende Folgen von Anfang an zu minimieren. Die Arbeitgeber seien hier in der Pflicht. "Die Beschäftigten können schließlich nichts für Gesundheitsschäden aufgrund ihrer Arbeit."
In Bochum wurden inzwischen Besprechungsräume und zusätzliche Trainingsangebote für die Sozialarbeiter und Sozialpädagogen eingerichtet, um psychischen Belastungen gezielt zu begegnen.
Marion Lühring