Irrweg dritter Weg: Podiumsdiskussion auf dem Kirchentag

Mehr als 500 Interessierte nahmen Anfang Mai 2013 in Hamburg während des evangelischen Kirchentages an der Veranstaltung "Irrweg dritter Weg" teil. Das Streitgespräch zwischen Professor Gerhard Robbers, dem Präsidenten des Kirchentages, und Frank Bsirske, dem ver.di-Bundesvorsitzenden, über die kirchlichen Sonderrechte im Arbeitsrecht - auch "dritter Weg" genannt - war informativ, kontrovers und trotzdem von gegenseitigem Respekt geprägt.

Tarifverhandlungen dürfen keine kollektive Bettelei sein

Obwohl das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil zum Streikrecht die Gewerkschaft im Kirchenbereich gestärkt hat, besteht weiterhin Klärungsbedarf, denn das Recht auf Streik ist für ver.di nicht verhandelbar.

In den Fällen, in denen die Kirche etwa als Träger eines Kindergartens oder Krankenhauses tätig ist, wird kein religiöser Auftrag im engeren Sinne umgesetzt. Hier handelt Kirche vielmehr als wirtschaftlicher Träger, der auch den Wettbewerbsbedingungen der jeweiligen Branchen unterworfen ist.

Tarifverhandlungen ohne das Recht auf Streik geraten jedoch zur kollektiven Bettelei. Ein derartiger Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Streikrecht ist nach Auffassung von ver.di durch nichts zu rechtfertigen. Insofern ist die Verfassungsbeschwerde, die ver.di eingereicht hat, die konsequente Fortführung der Auseinandersetzung um die Unzulässigkeit der kirchlichen Sonderrechte im Arbeitsrecht.

Diese Kontroverse ist aber kein Einstieg in eine generelle Konfrontationspolitik zwischen Kirche und Gewerkschaft. Im Gegenteil: Der Kirchentag hat deutlich gemacht, dass es eine wachsende Übereinstimmung zwischen Gewerkschaften und Kirche zum Beispiel bei der Einforderung von mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft gibt. Neben dieser Übereinstimmung in der Werteorientierung besteht bereits eine starke praktische Zusammenarbeit in der operativen Ebene - etwa zwischen dem kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) und den Gewerkschaften. Insofern besteht die Herausforderung auch darin, diese Kooperation fortzuführen, ohne die Klärung der inhaltlichen Kontroverse auszusetzen.

Die Beschäftigten im kirchlichen Bereich sollten das aktive Einfordern umfassender Arbeitnehmerrechte jetzt nicht bis zu einer endgültigen Klärung der Verfassungsbeschwerde aussetzen. Sie sollten sich vielmehr an dem Beispiel der Beschäftigten im Diakonie-Klinikum in Hamburg orientieren, die für ihre Belange gestritten und so einen Tarifvertrag durchgesetzt haben.

Grundrechte gehören auch in die Kirche

Selbstbewusstes und solidarisches Handeln ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, die Grundrechte, die außerhalb der Kirche selbstverständlich sind, auch innerhalb der Kirche anzuwenden. Das geht übrigens weit über das Streikrecht hinaus: Arbeitnehmerrechte, wie sie im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben sind, finden auf kirchliche Beschäftigte keine Anwendung. Hier gilt ein eigenes kirchliches Recht, das nicht konfessionell gebundene Beschäftigte, wenn sie denn überhaupt beschäftigt werden dürfen, vom passiven Wahlrecht der Mitarbeitervertretung ausschließt. ver.di fordert: Keine Sonderrechte im Arbeitsrecht für Kirchen - gleiches Recht für alle!