Ausgabe 05/2013
Wie man Betriebsräte zermürbt
ver.di klagt gegen einen mittelständischen Betrieb der Papierverarbeitung im bayerischen Wörth. Der Vorwurf: Behinderung der Betriebsratsarbeit
Das Papierwerk Landshut Mittler GmbH & Co. KG aus Wörth an der Isar, ein mittelständischer Betrieb, stellt hauptsächlich Verpackungen und Faltschachteln her, unter anderem für die Pharma-Industrie. Das Familienunternehmen wird in der dritten Generation von Günther Berninghaus geführt, der auch Vorstandsvorsitzender der Arbeitgebervereinigung Verband der Bayerischen Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie ist. Als Arbeitgeber ist er, zurückhaltend formuliert, umstritten, Betriebsräte und Beschäftigte klagen über Einschüchterung. Schon im Herbst 2012 hat ver.di Strafanzeige gestellt - gegen Günther Berninghaus und sechs weitere Personen, nach Paragraph 119 des Betriebsverfassungsgesetzes. Vorgeworfen wird ihnen Behinderung der Betriebsratsarbeit, auch unter dem Aspekt der Erpressung, des Betrugs, des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und sogar der Freiheitsberaubung. Laut Gesetz droht den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Das Verfahren ist laut Auskunft der Staatsanwaltschaft Landshut bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen, es wurden bereits zahlreiche Personen vernommen.
Konflikt um unbezahlte Mehrarbeit
Hintergrund der Strafanzeige ist ein Konflikt aus dem Juli 2012. Es ging um zwei Stunden unbezahlte Mehrarbeit - pro Woche. Der Betrieb ist tarifgebunden, zum Zeitpunkt der Strafanzeige wurden rund 130 Festangestellte und 30 Leiharbeiter beschäftigt. Nach dem Tarifvertrag ist unbezahlte Mehrarbeit möglich, wenn der Betriebsrat in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung zustimmt. In diesem Fall lehnte er den Wunsch der Geschäftsführung jedoch zunächst ab. Daraufhin sollen die Betriebsratsmitglieder massiv unter Druck gesetzt worden sein, so lange, bis sie schließlich zustimmten. So soll der Betriebsratsvorsitzende beschimpft und die Belegschaft aufgefordert worden sein, darauf hinzuwirken, dass die Vereinbarung über die unbezahlte Mehrarbeit abgeschlossen wird. Ansonsten werde es Stellenabbau geben. Betriebsratsmitglieder sollen aufgefordert worden sein, selbst zu kündigen. Von ursprünglich 14 Betriebsrats- und Ersatzmitgliedern sind heute nur noch vier im Betrieb, die meisten von ihnen waren oder sind wegen der psychischen Belastungen längere Zeit krank.
Der Arbeitgeber hatte seinerseits Klagen eingereicht, um die Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters über ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzudrücken. Diese Klagen verlor er in der ersten Instanz, in der zweiten Instanz machte das Gericht in beiden Fällen deutlich, dass es die Entscheidung bestätigen würde. Der Betriebsratsvorsitzende war inzwischen jedoch so zermürbt, dass er sich mit dem Arbeitgeber auf eine Vertragsauflösung gegen Abfindung einigte. Das zweite Verfahren wurde gewonnen, der Stellvertreter arbeitet weiterhin im Betrieb. Sogar der arbeitgeberseitige ehrenamtliche Richter forderte Firmenchef Günther Berninghaus auf, er möge das Betriebsverfassungsgesetz und den Betriebsrat im Unternehmen akzeptieren.
Mehr als 20 Verfahren
Bei den Arbeitsgerichten ist das Papierwerk Landshut Mittler inzwischen bestens bekannt. Laut ver.di gab es in den vergangenen zehn Jahren mehr als 20 Verfahren gegen Betriebsratsmitglieder und sie unterstützende Beschäftigte, die der Arbeitgeber aus dem Betrieb drängen wollte. Häufig sprach er Beschäftigten wegen angeblicher Schlechtleistung Abmahnungen aus. "Bei Abmahnungen wurden Beschäftigte oft auch mit Lohnabzug sanktioniert", sagt Irene Salberg, die bis vor kurzem die zuständige ver.di-Sekretärin war. "Deshalb wurden zahlreiche Verfahren geführt." Ein Beschäftigter, der aufgrund der Situation im Betrieb lieber nicht namentlich genannt werden möchte, bezeichnete das Vorgehen des Arbeitgebers als "extrem belastend". Besonders die nicht angekündigten Lohnabzüge seien für die Betroffenen schwer zu verkraften, viele hätten Häuser gebaut und müssten Kredite bedienen.
Irene Salberg kennt Betrieb und Inhaber seit vielen Jahren. Aus ver.di-Sicht ist sein Verhalten ein direkter Angriff auf die Mitbestimmung. "Ich bin der Meinung, dass hier ein Exempel gegen die Gewerkschaft und den Betriebsrat statuiert werden soll", sagt sie. Das Verhalten des Arbeitgebers lasse nur einen Schluss zu: Er will einen Betrieb ohne Betriebsrat, ohne Gewerkschaft und ohne Betriebsverfassungsgesetz.