Die Hamburger Karstadt-Beschäftigten hatten Ende Juli guten Grund, die Arbeit niederzulegen und zu streiken: Zeitgleich mit den Streiks in den Tarifauseinandersetzungen im Einzelhandel und den bevorstehenden Tarifverhandlungen in der Hansestadt machten die Kolleg/innen der Warenhauskette auf die Tarifflucht von Karstadt aufmerksam und forderten erneut die Tarifbindung.

Im Mai hatte Karstadt-Arbeitsdirektor Kai-Uwe Weitz beschönigend eine zweijährige "Tarifpause" angekündigt. Für ver.di heißt das im Klartext nur eines: Tarifflucht. "Das bedeutet, dass die Beschäftigten keinen Anspruch auf die Tariferhöhungen im Einzelhandel haben, über die gerade bundesweit verhandelt wird", erklärt der zuständige ver.di-Sekretär Marco Steegmann. Damit hätten die Beschäftigten ein weiteres Mal für Kostensenkungen beim traditionsreichen Warenhauskonzern zu sorgen.

In den zurückliegenden zehn Jahren haben die Beschäftigten durch ihren Verzicht rund 650 Millionen Euro zur Sanierung des Unternehmens beigetragen. Durch Stellenabbau und Nichtbesetzung freigewordener Stellen sind seit dem vergangenen Jahr zudem fast 3000 Arbeitsplätze weggefallen, so dass die Belastung für die übrigen Beschäftigten erheblich stieg. Eigentümer Nicolas Berggruen hingegen, der vor drei Jahren bei der Übernahme von Karstadt als Retter gefeiert wurde, hat bislang real kein Geld in die Warenhäuser gesteckt. "Daher sind die wahren Retter des Unternehmens die Beschäftigten", sagt Marco Steegmann.

Erstes Sondierungsgespräch

Für ver.di und viele Karstadt-Belegschaften steht fest, dass die Tarifflucht nicht hingenommen werden kann. Deshalb gibt es seit kurzem eine ver.di-Bundestarifkommission Karstadt, die das Unternehmen erneut zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über einen Anerkennungstarifvertrag aufgefordert hat. "Für die Beschäftigten müssen wieder die regionalen Flächentarifverträge in ihrer jeweils aktuellen Fassung gelten", so die Tarifkommission. Weiterhin sei es das Ziel, zur Zukunftssicherung der Beschäftigten und des Unternehmens einen Tarifvertrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung abzuschließen. In einem ersten Sondierungsgespräch zwischen ver.di und Vertretern des Gesamtbetriebsrats auf der einen Seite und zwei Mitgliedern der Karstadt-Geschäftsleitung auf der anderen gab es in der zweiten Julihälfte jedoch keine Annäherung der Positionen. Immerhin soll das Gespräch am 20. August fortgesetzt werden. Gudrun Giese