Ausgabe 08/2013
Statt Paris nach Penang
Blick auf die neue George Town aus der alten Stadt. Unten Seiteneingang zum blauen Haus des Cheong Fatt Tze
Warum der Busfahrer unbedingt so überpünktlich abfahren will, um uns nach Penang zu bringen, leuchtet ganz schnell ein. Wer einmal im malayischen Stau gestanden hat, weiß, was buddhistische Geduld bedeutet. Da geht zwei Stunden lang nichts mehr. Zu viele Autos quetschen sich auf zu wenigen Straßen. Wer um neun Uhr morgens bei der Arbeit sein will, muss um sieben losfahren. Spätestens. Das gilt im ganzen Land, wie eben auch hier, an der Jambatan-Pulau-Penang-Brücke. 13,5 Kilometer ist die in der Mitte an schrägen Seilen gespannte Konstruktion lang, die Penangs Zentrum George Town mit dem Festland verbindet. 1985 eröffnet, um dem anschwellenden Verkehr zu begegnen, reicht sie schon heute nicht mehr aus; eine Schwesterbrücke steht kurz vor der Fertigstellung. Wir aber quälen uns im Schritttempo durch den Berufsverkehr unserem Ziel entgegen.
Auf dem einstigen Außenhandelsposten der Briten war schon immer viel los. In Penang hinterließen im Laufe der Geschichte Inder, Chinesen, Araber, Portugiesen und Niederländer ihre kulturellen Duftnoten. 1786 schließlich überließ der Sultan die Insel Francis Light als britischen Außenhandelsposten. Durch ihre ideale Lage in der Meerenge "Straße von Melakka" war die Insel der Bethelnuss, auf malayisch Pulau Penang, neben der Stadt Melakka im Süden die wichtigste Handelsstation des Landes. Hier bauten sich die Zinnbarone des Landes koloniale Prachtbauten, in denen sie sich vom Geschäftemachen und Ausbeuten erholten.
Urlaub in der Freihandelszone
Heute ist Penang eine Freihandelszone, in der internationale Unternehmen keine Steuern zahlen, sofern sie einen bestimmten Anteil an Arbeitsplätzen für Einheimische schaffen. Auch wenn die auf der anderen Seite der Brücke auf dem Festland liegen. Viele der Autos, die an diesem Morgen an uns vorbei in die entgegengesetzte Richtung schleichen, sind auf dem Weg in die Fabriken von Osram, BMW oder Samsung. Nicht mehr so sehr, um billig zu produzieren, sondern um spezialisierte Produktionsnischen auszufüllen. Mit diesem Rezept versucht Penang den Weg aus der Krise.
Endlich geht es weiter auf der langen Brücke über das Wasser. Das Auge wird auch hier zunächst von Baukränen und den im ganzen Land beliebten Wolkenkratzern begrüßt. Die meisten sind neu, schick und mit Bayerfarben angestrichen, weil die angeblich 30 Jahre länger der Luftfeuchte und dem Schimmel trotzen. Im letzten Drittel der Brücke endlich ist auch der Blick auf die bunten Dächer der Altstadt von George Town frei, der Inselhauptstadt, die sich zu Füßen der Hochhäuser aneinander drängeln.
Zweitwohnung in Malaysia
Einige der Hochhäuser wurden gebaut, um den aus der Altstadt verdrängten Altmietern Wohnungen anbieten zu können. Für einen Neubau musste sogar eine ganze Gruppe indischstämmiger Malayen abgefunden und umgesiedelt werden. Wie in den westlichen Großstädten feiert auch in Penang die Verdrängung fröhliche Urstände, seit die Regierung das landesweite Programm "Malaysia my second home" aufgelegt hat. Befeuert wird diese Entwicklung noch durch den Rang des Weltkulturerbes, in den Penang 2008 erhoben wurde, um die Altstadt zu retten. Seitdem liefert sich der "World Heritage Trust", der sich um die nachhaltige Sanierung der alten Villen bemüht, ein zähes Ringen mit den Investoren.
Malaysia als Standort für die Zweitwohnung, das will man besonders den Bürger/innen aus arabischen Ländern schmackhaft machen. Seit in Paris das Kopftuch verbannt wurde, fahren die wohlhabenden muslimischen Familien nämlich lieber nach Malaysia zum Einkaufen und werden mit Schnäppchenpreisen für Designerware belohnt. Darauf stellt sich das Land mit einem Boom an Shopping Malls ein, die inzwischen als Sehenswürdigkeiten angepriesen werden.
An der Uferpromenade des Guerney Drive von George Town legen wir den Kopf in den Nacken, um das Ende unseres Hotels ausmachen zu können. Ein modernes Hochhaus in neuestem Design reiht sich hier an das andere; drinnen eine Mall nach der anderen. Biegt man am Ufer nach links, kann man sich sofort in das Gewimmel von Garküchen und kleinen bunten Ständen auf dem Guerney Plaza stürzen.
Doch es zieht uns nun wirklich in die Altstadt. Trotz der Hitze lässt sich im Schatten der Uferpalmen gut ausschreiten. Kompliziert wird es, wenn man auf die Hauptstraßen abbiegt. Bürgersteige sind, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft vorhanden, in der trockenen Kanalröhre zur Linken wetzt ein Waran und begleitet uns ein Stück des Wegs. Der führt vorbei an den ehemaligen Prachtbauten der britischen Kolonialherren. Einige sind frisch saniert und verströmen erneut ihre vergangene Pracht; viele aber verfallen im Schatten neu gebauter Hochhausriesen. In ihnen nisten inzwischen die Schwalben, deren Nester den Chinesen eine Köstlichkeit sind. Das bringt mehr ein als die Sanierung.
Durchschnittlich zwei bis drei Tage halten sich die meisten Besucher/innen auf Penang auf. Viele nehmen den Bus an den schönen Strand von Batu Ferringhi im Norden oder reisen von hier aus weiter auf die Insel Langkawi zum Tauchen.
Besuch beim ersten Kapitalisten
Aber kaum einer verlässt Penang ohne einen Besuch im blauen Haus des Cheong Fatt Tze. Er war stolz darauf, "einer der letzten Mandarins und der ersten Kapitalisten" zu sein. Der Geschäftsmann war mit 16 aus der chinesischen Provinz Geondong gekommen und hatte hier sein Glück gemacht. Der überraschend schlanke Cheong Fatt Tze liebte eine seiner Frauen ganz besonders und schenkte ihr das in Kobaltblau strahlende Haus, das nach allen Regeln des Feng Shui gestaltet wurde. Weltberühmt wurde das heute zum Hotel mit täglichen Führungen umgewandelte Haus durch den Film Indochine, in dem sich Catherine Deneuve in flatternden Gewändern auf der Chaiselonge der blauen Gemächer räkelt.
Nicht vorbei kommt der Besucher auch am Wat Chaiya Mangkalaram Temple, dem größten thailändischen Gotteshaus in Penang. Dort hat sich Buddha zum Schläfchen gelegt und steckt auf einer Länge von 33 Metern mit seiner Gelassenheit an. Die hilft dann schließlich auch hoch nach Air Itam zum Kek-Lok-Tempel der chinesischen Buddhisten, den man auch per Seilbahn erklimmen kann. Von hier aus bietet sich der fantastische Blick über das Panorama von George Town.
Die Streifzüge durch George Town, das die Einheimischen übrigens auch einfach nur Penang nennen, führen weiter zum Schlangentempel, zum Haus des chinesischen Clans Khoo Kongsi, dem feinen Eastern & Oriental und immer wieder durch die wimmeligen Straßen Little Indias, des chinesischen Viertels oder des muslimischen Teils der Stadt mit ihrer Fülle von Gerüchen, Gewürzen, Friseuren, Garküchen und Kassettenhändlern. Hier fühlen sich auch die Rucksackreisenden wohl, finden sie doch fast an jeder Ecke saubere und preiswerte Unterkünfte.
Zurück an der Uferpromenade am Guerney Drive schweift der Blick über das flirrende Meer. Selbst für die Fluten wird es bald eng hier. Mit dem "Projekt Landgewinnung" soll dem Wasser neues Land abgerungen werden, um einer weiteren Hochhausreihe Platz zu machen. Dann steht unser Hotel am Wasser nur noch in der zweiten Reihe.