Erstmals verzeichnet das krisengeplagte Mittelmeerland wieder einen Aufschwung bei den Urlauber/innen. Aber die Beschäftigten im Tourismus und kleine Pensionen profitieren davon noch nicht

Griechenland-Urlauberinnen am Strand von Gramvousa auf Kreta

Wenn Andreas M. redet, ist da keine Spur von Müdigkeit zu erkennen, auch wenn der 30-Jährige allen Grund dazu hätte. Der junge Mann ist gelernter Kellner und Saisonarbeiter auf Griechenlands Urlaubsinseln. "Wenn die Saison startet, arbeiten wir sieben Tage die Woche durch, täglich zehn bis 14 Stunden", sagt er. Urlaubstage? Kaum. Vielleicht mal einen Tag im Monat. Vielleicht. Seit zehn Jahren ist er im Geschäft, doch jetzt in der Krise sei es in der Branche noch härter geworden.

Ab Mai geht es jedes Jahr los. Dann reist Andreas aus Athen oder dem Dorf, aus dem er stammt, an, zuletzt in ein Fünf-Sterne-Hotel auf Kreta. Er bekommt ein kleines Zimmer im Hotel, das er sich mit anderen Kollegen teilt. Tarifverträge gibt es nicht, und so legt jedes Hotel seine Löhne und Bedingungen selbst fest. Andreas Lohn wurde um 150 Euro gekürzt und liegt heute bei 650 Euro brutto pro Monat. Zurücklegen kann man da nichts, aber er sei froh, sagt er, dass er über seine Arbeit versichert sei. Familie? Andreas lacht auf: "Wie denn, bei dem Gehalt?" Das Thema sei bei fast allen in den Hintergrund gerückt. Es geht um heute, um jetzt, um den Lebensunterhalt. Wegen der Krise seien viele Saisonkräfte in diesem Jahr nicht wieder eingestellt worden. "Wir, die eine Saisonanstellung ergattern konnten, arbeiten jetzt viel mehr bei weniger Gehalt."

Aber immerhin, sie haben Arbeit. Diejenigen, die keinen Vertrag bekommen haben oder aus dem Ausland kommen und keine Aufenthaltsgenehmigung haben, versuchen es mit Schwarzarbeit und werden meist auf den Inseln fündig. Dort arbeiten sie durchgehend für durchschnittlich 600 Euro im Monat ohne Versicherung. "Sollte das Hotel nicht auf seine geplanten Einnahmen kommen, geht das vom Lohn der Angestellten ab", sagt Andreas. "Das ist heutzutage ganz normal."

"Die Krise im Tourismus wird auf den Rücken der Angestellten ausgetragen", sagt Panagiotis Proutzos, Vorsitzender der POEEYTE, der griechischen Gewerkschaft der Beschäftigten in Tourismus und Gastronomie. Obwohl die Tourismusbranche bereits mit Start der Saison 2013 einen Aufschwung verzeichnete, habe sich an den schlechten Arbeitsbedingungen nichts geändert. Die Tourismusbranche hat seiner Aussage nach die meisten illegalen und brutalsten Formen flexibler Arbeitsverhältnisse in der EU. "Etwa 60 Prozent der Arbeit wird unversichert geleistet", sagt Proutzos. Bei Kontrollen in den Unternehmen versage der Staat gänzlich. Die Beschäftigten würden nicht geschützt. Den Unternehmern dagegen werde gut unter die Arme gegriffen. Ein Teil ihrer Werbung wird über das Tourismusministerium bezahlt.

Eine der wichtigsten Säulen der griechischen Wirtschaft

Aus gutem Grund: Die Tourismusbranche ist neben der Schifffahrt einer der wichtigsten Pfeiler, auf dem das Wirtschaftseinkommen des Landes aufgebaut ist. Zu rund 17 Prozent trägt die Branche zum Bruttoinlandsprodukt bei, über 650.000 Menschen sind im Tourismus beschäftigt.

So war es 2012 ein Desaster, dass immer mehr Touristen ausblieben - der Tourismus Griechenlands steckte tief in der Krise: Buchungen aus dem Ausland waren stark zurückgegangen, weil die Medienbilder von den Protesten gegen die Sparpolitik in Athen, die Ausschreitungen danach und auch die Ungewissheit, ob die Bus- oder Taxifahrer/innen zum Flughafen fahren oder ob doch wieder gestreikt wird, viele Urlauber/innen verschreckten. Am stärksten brach der Tourismus bei den Einheimischen ein: Ihre Buchungen gingen um die Hälfte zurück. Viele Festland-Griechen, die ihre Ferien sonst auf einer der Inseln verbrachten, konnten sich keinen Urlaub mehr leisten, weil sie ihren Arbeitsplatz verloren hatten oder ihre Löhne infolge der Sparpolitik so stark gekürzt worden waren, dass es nur noch für das Nötigste zum Leben reichte. Auf Urlaub wird da natürlich als erstes verzichtet.

Den Rückgang der Buchung von Einheimischen, die vorher 25 Prozent des gesamten Umsatzes im Tourismus Griechenlands ausmachten, bekam auch Alekos K. zu spüren. Er betreibt auf der kykladischen Insel Andros eine kleine familiengeführte Pension. "Ich habe vor einiger Zeit einen hohen Kredit bei der Bank aufgenommen, um die Zimmer bauen lassen zu können", sagt der 58-jährige Familienvater. Noch vor drei Jahren sei er in der Hochsaison von Juni bis September komplett ausgebucht gewesen. Danach habe er damals die monatliche Kreditrückzahlung berechnet, die jetzt viel zu hoch sei. Das Jahr darauf ließen die Buchungen nach, und auch die letzte Saison war schlimm. "Ich musste mit meinen Preisen mittlerweile um 40 Prozent heruntergehen, damit überhaupt jemand kommt." Wie er in Zukunft leben soll - Alekos K. weiß es nicht.

Für große Hotels und Hotelketten hingegen war die Saison 2013 ein Erfolg, das bestätigt Andreas Andreadis, Präsident des griechischen Tourismusverbandes SETE. Ein Hoffnungsschimmer im krisengeschüttelten Griechenland, das mittlerweile im sechsten Jahr der Rezession steckt. 2012 besuchten nur 15,5 Millionen ausländische Tourist/innen das Land, in dieser Saison kamen über 17 Millionen Besucher/innen. Und so schrumpfte die Gesamtwirtschaft im zweiten Quartal 2013 dank des wieder aufstrebenden Tourismus so langsam wie seit drei Jahren nicht mehr. Für die zweite Jahreshälfte sagen Experten ein noch geringeres Minus voraus.

In den Touristenorten wird wieder aufgeatmet

Die Rezession in Griechenland lässt daher unerwartet nach und die Großinvestoren, aber auch die Besitzer/innen kleiner Restaurants und Bars in den Touristenorten erst einmal aufatmen. Für das Jahr 2014 wird sogar ein kleines Wachstum erwartet. Das ist wohl auch dem Rückgang der Schreckensmeldungen aus Griechenland zu verdanken. Außerdem haben die Unruhen in der Türkei und Ägypten - die traditionellen Konkurrenten - Griechenland viele Touristen gebracht. "Zum ersten Mal seit Jahren nimmt Griechenland seinem wichtigsten Rivalen, der Türkei, Marktanteile ab", sagt Andreadis. Dennoch, das Aufatmen der Branche in dieser Saison sei noch keine Wachstumsgarantie des griechischen Tourismussektors, diagnostizierte jüngst die weltweit agierende Unternehmensberatung McKinsey. Griechenland habe gegenüber Ländern wie Spanien, Italien und der Türkei im Preis-Leistungs-Verhältnis den Anschluss verloren. Außerdem haben es die griechischen Urlaubsorte nicht geschafft, neue Märkte wie China oder Russland zu erschließen. Daran wird jetzt gearbeitet. Auch soll Griechenland durch neue Angebote wie zum Beispiel Sporttourismus auch außerhalb der Sommersaison als Urlaubsland attraktiv werden.

"Natürlich ist es gut, wenn die Wirtschaft des Tourismussektors in Griechenland unterstützt wird", sagt Kellner Andreas. Sein Arbeitsplatz werde dadurch gesichert. "Geschützt werden wir Arbeitenden dadurch allerdings nicht. Die Ausbeutung geht so lange weiter, bis es Tarifverträge und ernsthafte staatliche Kontrollen gibt."

Tourismus in Griechenland

  • trägt ca. 17 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei
  • beschäftigt über 650.000 Menschen
  • etwa 60 Prozent der Arbeit wird unversichert geleistet
  • Kellner haben eine 7-Tage-Woche mit 10-14 Stunden-Tagen
  • ihr Monatslohn reicht gerade mal zum Überleben