4. Januar in Phnom Penh: Mit Gewalt wird das Protestcamp im Freiheitspark der Hauptstadt geräumt

ver.di PUBLIK | Wie kam es zu deinem ungewöhnlich politischen Urlaub in Kambodscha?

Benedikt Frank | Ich bin schon seit ein paar Jahren begeistert von Südostasien, besonders von Kambodscha und Laos. Ich mag die wunderbare Landschaft, die Tempel von Angkor Wat beeindrucken mich. Aber ich war auch von Anfang an sehr betroffen von der Armut und habe mich deshalb intensiv mit der politischen Situation und den Lebensbedingungen im Land auseinandergesetzt. Vor meiner letzten Reise habe ich von Köln aus Kontakte zu Gewerkschaftern dort geknüpft und privat Geld gesammelt, um Streikende in Kambodscha unterstützen zu können - noch ohne genau zu wissen, was mich erwartet. Die Spender waren Freunde, Kolleginnen und Kollegen, die mir vertraut haben, dass ich das Geld dort an den richtigen Stellen vorbeibringe. 2000 Dollar sind zusammengekommen.

ver.di PUBLIK | Was hast du auf der Reise erlebt?

Benedikt Frank

Benedikt Frank | Ein Land im Umbruch. Es fing schon extrem an: Am Tag vor meiner Ankunft wurde bei einem Streik im Textilunternehmen SL Garment Factory, das H&M beliefert,eine Frau erschossen, sieben Frauen wurden verletzt. Die Polizei hat auf Befehl der Regierung brutal zugeschlagen, und die internationale Presse nahm kaum Notiz davon. Trotz der sehr angespannten Situation haben sich Gewerkschafter der größten Textilarbeitergewerkschaft C. CAWDU gleich mit mir getroffen. Es geht den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften in der Textilindustrie um einen Mindestlohn, von dem man leben kann, der wirklich die Existenz sichert. Sie fordern 160 US-Dollar pro Monat, statt wie bisher 75, was gerade mal 58 Euro entspricht. Eine Preiserhöhung von wenigen Euro-Cent pro T-Shirt hier in Europa würde einen solchen Lohn möglich machen.

Ich habe mich dann auch gleich mit den Kollegen in Kambodscha über die Verwendung der Spenden beraten. Mit der Hälfte des Geldes wurden die Familie der erschossenen Arbeiterin und die verletzten Frauen unterstützt, damit sie ihre Arztrechnungen bezahlen konnten. Die andere Hälfte floss in die Finanzierung des Marsches der Menschenrechte.

ver.di PUBLIK | An diesem Marsch am Tag der Menschenrechte hast du dich beteiligt.

Benedikt Frank | Ja, und das war ein absolutes Highlight für Kambodscha, so etwas hat es dort nie zuvor gegeben. 5000 Aktive aus Nichtregierungsorganisationen und 600 Mönche sind zehn Tage lang zu Fuß im Land unterwegs gewesen und nach Phnom Penh gezogen. Dort trafen sich schließlich 20.000 Menschen auf dem zentralen Platz und 5000 vor dem Regierungsgebäude. Und es wären sicher noch 10.000 mehr gewesen, hätte die Polizei nicht Straßensperren um die Hauptstadt errichtet und stundenlang alle Passanten kontrolliert.

ver.di PUBLIK | Worum geht es den Demonstranten neben dem Mindestlohn?

Benedikt Frank | Um noch mehr; sie fordern demokratische Veränderungen in ihrem Land. Gleichzeitig mit den Streiks der Textilarbeiterinnen entwickelt sich eine selbstbewusste Demokratiebewegung. Tausende fordern das Ende der in Kambodscha weit verbreiteten Korruption und die Durchsetzung der Menschenrechte. Auf jeden Fall ist auch die Zeit der Gewerkschaften gekommen, sie werden immer stärker.

ver.di PUBLIK | Wie sieht es jetzt in Kambodscha aus, Ende Januar?

Benedikt Frank | Die Regierung hat Streiks und Demonstrationen verboten, die fünf Textilarbeitergewerkschaften wurden vor Gerichte geladen und sollen Schadenersatzzahlungen leisten - an die Unternehmen und an den Staat. Einzelne, wie der Oppositionsführer Sam Rainsy und der Gewerkschaftsvorsitzende Ath Thon, wurden angezeigt, weil sie "zum Aufruhr aufgerufen" hätten. Am 3. Januar hat die Militärpolizei auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Demonstration geschossen, dabei viele verwundet und fünf Menschen getötet. Danach sind überall Menschenrechtsaktivisten verhaftet worden, darunter auch mindestens 39 Gewerkschafter. Einer der Kollegen, die ich im Dezember getroffen habe, musste untertauchen.

ver.di PUBLIK | Hältst du weiter Kontakt nach Kambodscha?

Benedikt Frank | Ja, Anfang März bin ich wieder dort. Inzwischen haben wir ein ver.di-Spendenkonto eingerichtet, auf das interessierte Kolleginnen und Kollegen Spenden einzahlen können. Ich will das eingegangene Geld dann wieder selbst nach Kambodscha mitnehmen und nach Rücksprache mit den Kollegen dort die Mindestlohnkampagne unterstützen, aber auch etwas für die Familien von inhaftierten Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern tun.

Interview: Claudia von Zglinicki

www.verdi.de/themen/internationales

www.labourstartcampaigns.net

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