Versicherte haben das Recht, gegen Entscheidungen der Sozialversicherungsträger Widerspruch einzulegen

Michael Dutschke

Der gelernte Bankkaufmann Michael Dutschke, 55, ist stellvertretendes Mitglied in einem Widerspruchsausschuss der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK). Dabei handelt es sich um ein Ehrenamt. Bei der DAK sind die verschiedenen Ausschüsse jeweils bundesweit für bestimmte Themengebiete zuständig.

ver.di publik - Mit welchen Themen hast Du Dich bisher im Widerspruchsausschuss beschäftigt?

MICHAEL DUTSCHKE - Häufig hat die Krankenkasse den Versicherten Leistungen aberkannt, nach dem Motto "Das bezahlen wir nicht, weil...". Zum Teil waren das Reha-Leistungen und zum Teil Pflegegeld auf der Basis von Pflegestufen. Dabei ging es eher um zusätzliches Betreuungsgeld zur Pflege. Sie sind an eine bestimmte Bedürftigkeit geknüpft, und die muss nachgewiesen werden. Meist besucht ein Gutachter der Krankenkassen dazu die Versicherten und versucht, sich vor Ort ein Bild von ihrer Situation zu machen. Lehnt die Krankenkasse daraufhin die Leistungen ab, können die Versicherten dagegen Widerspruch einlegen.

ver.di publik - Wie gehst Du an so einen Fall heran?

DUTSCHKE - Zuerst muss man sich die vorhandenen Unterlagen sehr intensiv angucken. Vieles in den Unterlagen ist nicht selbsterklärend, da muss ich mich intensiv reinknien. Die erste Prüfung ist, immer zu fragen, ob Formalien verletzt worden sind. Fehlentscheidungen kommen immer wieder vor. Wenn man so etwas relativ schnell findet, ist der Fall einfach zu lösen.

Ab und an gibt es aber auch Ermessensentscheidungen. Da ist es unsere Aufgabe im Widerspruchsausschuss herauszukriegen, in welchen Fällen dieses Ermessen zum Nachteil der Versicherten ausgelegt wurde.

ver.di publik - Ihr handelt auf Basis der Aktenlage...

DUTSCHKE - Ja. Und auf Basis der eigenen Lebenserfahrung. Wir haben keinen Kontakt zu den Versicherten.

ver.di publik - Könnt Ihr nachfragen oder zusätzliche Dinge bei der Krankenkasse anfordern?

DUTSCHKE - Ja, auf jeden Fall. In der Regel ist ein Sachverständiger von der Krankenkasse bei den Sitzungen des Widerspruchsausschusses dabei. Deswegen ist es auch sinnvoll, dass die Ausschüsse themengebunden arbeiten, dann hat man nur ein oder zwei Ansprechpartner von der Krankenkasse, die bei den Sitzungen dabei sind und entsprechend fachliche Auskünfte geben können.

ver.di publik - Wie viele Leute nehmen an den Sitzungen teil?

DUTSCHKE - Wir sind so vier, fünf Leute. Die Ausschussmitglieder werden vom Verwaltungsrat gewählt und können Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber sein. Wir sind uns aber alle immer relativ einig, in welchem Fall etwas schlecht gelaufen ist und man etwas anders machen sollte. Alle Beteiligten konzentrieren sich auf die Aktenlage und haben die Versicherten im Blick. Wir können ja auch nur Dinge bewilligen, die in bestimmten gesetzlichen Bahnen zulässig sind. Das ist die gemeinsame Basis der Arbeit.

ver.di publik - Wie bist Du dazu gekommen, in einem Widerspruchsausschuss mitzuarbeiten?

DUTSCHKE - Ich habe 2011 für die Sozialwahlen als Versichertenvertreter für ver.di kandidiert. Nach der Wahl werden erst einmal die ordentlichen Mitglieder der Vertreterversammlung gefragt, ob sie sich vorstellen können, in einem solchen Ausschuss mitzuarbeiten, dann die ersten Nachrücker. Ich bin ein solches stellvertretendes Mitglied der Vertreterversammlung.

ver.di publik - Wo ist Deine besondere Lebenserfahrung für diese Arbeit?

DUTSCHKE - Je älter man wird, desto mehr Erfahrungen hat man mit Krankheiten und der Krankenkasse gesammelt, auch im Freundes- und Bekanntenkreis. Zusätzlich kenne ich viele Fälle aus meiner Arbeit als Betriebsrat, bei denen ich auch immer wieder mit dem Thema Krankheit konfrontiert werde. Ich weiß, dass es üblicherweise nicht den 08/15-Standardfall gibt. Ein und dieselbe Krankheit äußert sich bei den Betroffenen meist ganz unterschiedlich. Daher sind auch unterschiedliche Maßnahmen erforderlich.

ver.di publik - Würdest Du Versicherten empfehlen, sich an Widerspruchsausschüsse zu wenden?

DUTSCHKE - Wenn sie den Eindruck haben, dass ihnen zustehende Leistungen vorenthalten werden, in jedem Fall.

INTERVIEW: Heike Langenberg


Auch eine Gehhilfe muss manchmal erstritten werden

Widerspruchsausschüsse

Bei gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherungsträgern gibt es sogenannte Widerspruchsausschüsse. Sie sind paritätisch mit Vertreter/innen der Versicherten und der Arbeitgeber besetzt. Jeder Versicherte, der eine Leistung der Versicherung beantragt und einen ablehnenden Bescheid erhält, hat eine Frist von vier Wochen, um gegen diese Entscheidung Widerspruch einzulegen. Lenkt der Versicherungsträger daraufhin nicht ein, geht der Widerspruch automatisch an den Widerspruchsausschuss weiter, der daraufhin den Fall noch einmal prüft. In berechtigten Fällen können sie die ursprüngliche Entscheidung revidieren.