"So positiv wie diesmal war das Echo noch nie"

Vielerorts wurden ver.di-Mitglieder auf dem Roten Teppich bejubelt, auch in Potsdam am 21. März, wie hier beim Gruppenfoto mit Frank Bsirske (Mitte)

Dafür haben sich mehr als 300 000 Beschäftigte aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen an Warnstreiks beteiligt. Aus Kitas, Sparkassenfilialen, Flughäfen, Nahverkehrsbetrieben und Verwaltungen. So war das Theater Oberhausen am 27. März geschlossen, streikten Pflegekräfte am Berliner Vivantes-Klinikum, bliesen Musikschullehrer/innen den Arbeitgebern in Potsdam den Marsch. Auch viele Erzieherinnen gingen auf die Straße, für eine angemessene Vergütung, für mehr Anerkennung und Wertschätzung.

Ramona Kloppe von der Sparkasse Leipzig, Serviceberaterin in der Filiale Oschatz, sagte am Morgen vor Beginn der letzten Verhandlungsrunde in Potsdam: "Wir sind heute früh mit 40 Kolleginnen und Kollegen hierhergereist, um zu zeigen, dass wir für einen guten Tarifabschluss auch selber was tun wollen." Sie habe keine Lust abzuwarten, ob Müllwerker und Erzieherinnen auch für sie was rausholen, sie wolle nicht nur vom Einsatz der anderen profitieren. "Ich war - wie die meisten von uns - zum ersten Mal dabei. Das war aufregend." Und es hat sich gelohnt.

Warnstreiks mit Erfolg

In der dritten Verhandlungsrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen hat ver.di ein Ergebnis erzielt: Rückwirkend zum 1. März dieses Jahres steigen die Gehälter um drei Prozent, mindestens aber um 90 Euro monatlich, und zum 1. März des kommenden Jahres um weitere 2,4 Prozent. Eine Tarifeinigung mit einem Mindestbetrag, der in die Entgelttabellen aufgenommen wird, ist damit zum ersten Mal durchgesetzt worden. Und genau das haben die meisten Beschäftigten gewollt: Der Abschluss sollte gerade den Kolleg/innen mit geringerem Verdienst deutlich mehr Geld bringen. Für mehr Gerechtigkeit. Das ist gelungen.

"Jung und gehaltbereit"

Ein "Superergebnis", sagt Karola Fuchs aus der ver.di-Bundestarifkommission. "90 Euro Mindestbetrag, das ist großartig!" Das sei ihnen sehr wichtig gewesen, so die Betriebsratsvorsitzende vom Klinikum Idar-Oberstein. Dass die Arbeitgeber nicht bereit waren, die Nachtdienstzuschläge für die Beschäftigten in der Pflege von 15 auf 20 Prozent zu erhören, hält sie für beschämend. "Sie wollten für diese wichtigen Fachkräfte die 75 Cent mehr pro Stunde nicht lockermachen", sagt sie. "Sie hätten die Chance gehabt, unsere Arbeit aufzuwerten. Sie haben diese Chance vertan. Aber wir werden dranbleiben."

Auch die für Bus- und Bahnfahrer/innen im Nahverkehr geforderte Zulage oder zusätzliche freie Tage als Ausgleich für die Belastung haben die Arbeitgeber verweigert.

"Wir sind jung und gehaltbereit" - unter diesem Motto und mit dem Gesang "Übernahme, Übernahme" hatte die ver.di Jugend sich mit vielen, meist überaus bunten Aktionen an den Warnstreiks beteiligt. Für die ver.di-Jugendtarifkommission sagte Timo Klein, als das Verhandlungsergebnis vorlag, er sei einfach glücklich darüber. Wichtige Punkte seien erreicht.

Die Ausbildungsvergütungen werden zum 1. März dieses und des kommenden Jahres um 40 beziehungsweise 20 Euro erhöht. Ab 2014 haben alle Beschäftigten Anspruch auf 30 Urlaubstage, für die Azubis steigt der Urlaub von 27 auf 28 Tage. "Gut, dass die Übernahmegarantie wieder da ist", sagt Timo Klein. Die Regelung war vor Verhandlungsbeginn gekündigt, es gab keine Übernahmegarantie bei bedarfsgerechter Ausbildung mehr. Jetzt besteht sie weiter.

"Das Ergebnis liegt in der Spitzengruppe der diesjährigen Abschlüsse", sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. "Durch den Mindestbetrag profitieren vor allem untere und mittlere Entgeltgruppen von einer überdurchschnittlichen Reallohnsteigerung." Der Mindestbetrag von 90 Euro übertreffe bis in die mittleren Entgeltgruppen die lineare Gehaltserhöhung von drei Prozent. Dadurch summiere sich das Volumen der Lohnerhöhung schon im ersten Jahr auf 3,3 Prozent. Auch das Ziel, den Abstand zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft zu reduzieren, sei erreicht, sagte Frank Bsirske.

Bund und Gewerkschaften haben sich außerdem darauf verständigt, die Entwicklung befristeter Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst bis September 2015 wissenschaftlich untersuchen und bewerten zu lassen. Damit wird die Grundlage dafür geschaffen, künftig wirksam gegen immer mehr sachgrundlose Befristungen vorzugehen.

Für die Beamt/innen und Versorgungsempfänger/innen des Bundes soll das Tarifergebnis übernommen werden, so die Aussage von Innenminister Thomas de Maizière, CDU, gegenüber ver.di.

Zur Annahme empfohlen

Die ver.di-Bundestarifkommission empfiehlt den Mitgliedern, das Ergebnis anzunehmen. Bis zum 25. April stimmen sie jetzt darüber ab. Im Klinikum Idar-Oberstein hat die Mitgliederbefragung am 14. April begonnen. Schon vorher landeten bei Karola Fuchs im Personalratsbüro spontan viele Anrufe und E-Mails mit Zustimmung und Gratulationen zu dem Ergebnis. "So positiv wie diesmal war das Echo noch nie", sagt sie. "Bisher habe ich nur Zustimmung bekommen!" Oder wie der Berliner Sven-Olaf Günther aus der ver.di-Verhandlungskommission sagte: "Wir haben alle zusammen ein gutes Ergebnis durchgesetzt, darum geht es. Ich hab jetzt einfach nichts zu meckern!"

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