ver.di setzt sich in Bremen dafür ein, dass der Müll wieder von einem kommunalen Unternehmen entsorgt wird. Dafür will die Gewerkschaft ein Volksbegehren und einen Bürgerantrag auf den Weg bringen

Müllsortierung in Bremen

Menschen in orangenen T-Shirts füllen den Raum, orangene Mülltonnen stehen Spalier. "Deine Stimme ist nicht für die Tonne", ist auf den Rücken und den Tonnen zu lesen. Etwa 50 Leute sind in das DGB-Haus in Bremen gekommen, um ein Volksbegehren zur "Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft" aus der Taufe zu heben. An einer Plakatwand leisten Unterstützer/innen ihre Unterschrift. ver.di hat bei der Kampagne, die in mehreren Stufen verläuft, die Federführung.

Zunächst einmal sammelt ver.di in Betrieben und auf dem Bremer Marktplatz 5000 Unterschriften zur Zulassung eines Volksbegehrens für ein Kommunalunternehmensgesetz. Erst wenn dieses Gesetz da ist, kann die Stadt einen kommunalen Müllbetrieb gründen. Kein Zufall ist der Zeitpunkt der Aktion: Im Mai 2015 wird in Bremen eine neue Bürgerschaft gewählt und die Parteien sollen in Sachen Müll Druck spüren. Deswegen startet gleichzeitig eine weitere Unterschriftensammlung. Damit will die Gewerkschaft einen Bürgerantrag durchsetzen, der von der Bremischen Bürgerschaft - so heißt das Parlament Bremens - verlangt, sich mit dem Thema zu befassen.

Seit 1998 transportiert die Firma ENO (Entsorgung Nord) in Bremen den Müll ab und reinigt die Straßen. Sie tut dies im Auftrag der Firma Nehlsen, eines Familienunternehmens, das vor 16 Jahren für 170 Millionen D-Mark das Müllentsorgungsrecht erwarb. 2018 läuft der Vertrag aus. Das Geld aus dieser Privatisierung war dem Stadtstaat willkommen, um diverse Haushaltslöcher zu stopfen. In weiser Voraussicht bestand Bremen damals darauf, dass ihre an die ENO überlassenen Müllangestellten weiter nach Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes bezahlt werden.

Der Trick der ENO war aber, freigewordene Stellen nicht mehr zu besetzen. Stattdessen vergab sie Aufgaben an Subunternehmen der Firma Nehlsen. Nehlsen hat bundesweit etwa 4000 Beschäftigte und ist nicht tarifgebunden. Allerdings bietet sie Leiharbeit an. Die Zahl der tariflich bezahlten Angestellten bei ENO sank dadurch von 700 auf 345. Die Abfallgebühr wurde einst auf Grundlage von Tariflöhnen berechnet, ENO kassiert die Differenz.

Geheime Gewinne

Könnten mit einer neuen, kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) die Müllgebühren sinken? "Das ist nicht das Hauptziel von ver.di", sagt ver.di-Bezirksgeschäftsführer Rainer Kuhn, eine der Vertrauenspersonen für den Bürgerantrag. Die Gewinne der Firma Nehlsen sind geheim. Mit dieser Intransparenz wäre bei einem kommunalen Unternehmen Schluss, denn es würde von einem Verwaltungsrat kontrolliert. Gewinne dürfte es schon gar nicht machen. Zudem ist ein kommunaler Betrieb von der Mehrwertsteuer befreit.

Diese finanziellen Vorzüge würden Spielräume eröffnen: Alle Angestellten könnten wieder Tariflohn erhalten. Dann wären Löhne um 8,80 Euro, wie sie jetzt an einige Müllwerker in Bremen gezahlt werden, Geschichte. Vorbei wäre die Lohnspaltung innerhalb der Belegschaft. Rainer Kuhn: "Die Entscheidungshoheit soll einfach wieder bei der Stadt liegen." Und wer weiß, ob nicht dann doch die Müllentsorgung billiger wird? "In München sanken nach der Rekommunalisierung schon zum fünften Mal in Folge die Müllgebühren", berichtet Ellen Naumann, ver.di-Verantwortliche für die Abfallwirtschaft.

"An einem öffentlichen Gut wird Geld verdient", beklagt ein Zuhörer. "Der Bürgerbeteiligung wird in Bremen wieder Leben eingehaucht", freut sich ein anderer. Das Publikum reagiert positiv auf die Kampagne. Die rot-grüne Koalition in Bremen bevorzugt ein halb-staatliches Modell, eine Partnerschaft mit einem Privaten (PPP). Von dieser Idee ist ver.di nicht begeistert. In einem von ver.di vorgelegten Gutachten plädiert Professor Ernst Mönnich von der Hochschule Bremen für die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR). Er warnt, dass bei einer PPP die Privaten die Zügel in der Hand behalten und Gewinne abschöpfen wollen, auch wenn es in diesem Fall nicht um einen totalen Ausverkauf gehe.

Der große Zuspruch zu Volksbegehren in Berlin und Hamburg zum Rückkauf der Energie- und Wasserversorgung im letzten Jahr zeigt, dass viele Menschen von Privatisierungen abrücken wollen. Ein Vorteil in Bremen ist, dass die Stadt zwar in einen kommunalen Betrieb investieren, aber nichts zurückkaufen müsste. Dafür gibt es gerechtere Löhne, sichere Arbeitsplätze und mehr Einfluss.

www.muellabfuhr-in-buergerhand.de