Ausgabe 08/2014
EU verlangt mehr Qualität in der Weiterbildung
Es macht einen Unterschied, ob der Staat 50.000 Kloschüsseln einkauft oder die pädagogische Arbeit für 50.000 Jugendliche, die auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen. Was jedem sofort einleuchtet, soll sich nun auch im Gesetz niederschlagen. Bis zum Frühjahr 2016 hat die Bundesregierung Zeit, eine im April in Kraft getretene EU-Richtlinie für die öffentliche Auftragsvergabe in nationales Recht zu übertragen.
Zwar haben die einzelnen Staaten hier Gestaltungsspielräume. Doch klar ist, dass es für personalisierte Dienstleistungen künftig nicht mehr nur um den niedrigsten Preis gehen kann. So erlaubt die EU-Vorgabe beispielsweise, dass die Konzeption einer Qualifizierungsmaßnahme und die Erfahrung der Unterrichtenden bei der Auftragsvergabe berücksichtigt werden dürfen.
Wie schon beim Mindestlohn ziehen auch in diesem Fall ver.di und andere Gewerkschaften sowie Arbeitgeberverbände aus der Weiterbildungsbranche an einem Strang. Gemeinsam wollen sie die Bedingungen für Anbieter von Kursen für die Bundesagentur für Arbeit verbessern. Mitte November waren sie beim Wirtschaftsministerium eingeladen, das für die Überarbeitung des Vergaberechts in Deutschland zuständig ist. Sie verlangten nicht nur, dass der Staat künftig verbindlich prüft, ob Anbieter den Beschäftigten tatsächlich den allgemeinverbindlichen Mindestlohn zahlen. Auch sollten die Kurse wieder stärker auf die regionalen Anforderungen zugeschnitten werden können. "Soziale Aspekte müssen zukünftig in allen Verfahrensschritten der Vergabe berücksichtigt werden", fordert Hans-Jürgen Sattler, der für ver.di beim Gespräch im Wirtschaftsministerium dabei war.
Rasanter Verfall
Wohl in keiner anderen Branche sind die Löhne in den vergangenen Jahren so rasant verfallen wie in der Weiterbildung. Verdienten Dozenten und Pädagogen vor den Hartz-Reformen bei seriösen Anbietern 3000 bis 4000 Euro im Monat, so waren 1500 Euro für eine Vollzeitstelle bis vor zwei Jahren keine Seltenheit. Erst der für allgemeinverbindlich erklärte Mindestlohn zog hier eine Haltelinie ein. Der beträgt ab Januar in Westdeutschland 13,35 Euro pro Stunde und in Ostdeutschland 12,50 Euro. Doch so gut wie alle neuen Arbeitsverträge in der Branche sind heute befristet, Kettenverträge an der Tagesordnung. Ein Großteil der Beschäftigten hat gar keinen Anstellungsvertrag mehr, arbeitet auf Honorarbasis und trägt damit das unternehmerische Risiko.
Hauptursache für den beispiellosen Abbau der Arbeitsqualität ist die Vergabepolitik der Bundesagentur für Arbeit. Seit den Hartz-Reformen schreiben die regionalen Einkaufszentren im Internet Angebote für Bildungsmaßnahmen aus - und der Billigste bekommt in der Regel den Zuschlag. Weil viele Bildungsträger keine alternativen Auftraggeber haben, sind sie existenziell auf die Nachfrage der Bundesagentur angewiesen. So begann vor zehn Jahren ein Unterbietungswettbewerb.
Wer in einer Runde nicht zum Zuge kommt, verschwindet entweder vom Markt oder versucht beim nächsten Mal, durch einen niedrigeren Preis einen Auftrag zu ergattern. Und weil in der Bildung die Personalkosten der größte Faktor sind, schlägt das sofort auf die Löhne durch. Die Beschäftigten sind genötigt, wie Wanderarbeiter den Aufträgen hinterherzuziehen. Manche Anbieter heuern erst Personal an und mieten Räume, wenn sie eine Ausschreibung gewonnen haben.
Für die Qualität der Arbeit sind solche Strukturen Gift - und das nicht nur, weil die Beschäftigten in dauernder Unsicherheit leben und nach Alternativen in anderen Branchen suchen. Eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik ist auch zwingend darauf angewiesen, dass Kammern, Unternehmen, Arbeitsagentur, Weiterbildungsträger, Berufsschulen und Jugendhilfe eng verzahnt zusammenarbeiten. Nur wenn die Beteiligten sich darauf verlassen können, dass die anderen im Netzwerk auch längerfristige Absprachen einhalten, werden sie gemeinsam mit ihnen etwas aufbauen. Genau das aber konnten die Bildungsträger aufgrund der Ausschreibungspolitik der Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen Jahren nicht leisten. Mit der Ausgestaltung des neuen Vergaberechts könnte sich daran Entscheidendes ändern. Annette Jensen