Winterdienst ohne genaue Arbeitszeiterfassung

Anfang Dezember sind zwei Verordnungen im Bundegesetzblatt veröffentlicht worden. Hinter den immer noch sperrigen Kurznamen "Mindestlohnaufzeichnungs-Verordnung" und "Mindestlohnmelde-Verordnung" verbergen sich politisch brisante Verordnungen, erarbeitet vom Bundesfinanzministerium. Nach Angaben des Ministeriums sollen sie dazu dienen, bei der Umsetzung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns ab 1. Januar vermeintliche bürokratische Hürden abzubauen.

"Diese Verordnungen laufen eindeutig auf eine weitere Durchlöcherung der wirksamen Durchsetzung des Mindestlohns hinaus", sagt hingegen der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann. Der DGB prüft derzeit, ob ein juristisches Vorgehen gegen die Verordnungen Sinn macht.

Die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung, kurz MiLoAufzV, betrifft sogenannte mobile Tätigkeiten. Darunter fallen Brief-, Paket- und Zeitungszustellung, Abfallentsorgung, Straßenreinigung, Winterdienste sowie der Personen- und Gütertransport. Für Beschäftigte in diesen Branchen muss nur noch die Dauer der Arbeit festgehalten werden, nicht aber Beginn und Ende.

Dauer richtet sich nach Menge

Dass nur die Dauer erfasst werden müsse, sei eine Einladung, die Zeit falsch zu erfassen, bemängelt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Schon heute sei es in der Zustellung durchaus üblich, die Beschäftigten für eine bestimmte Menge an zuzustellenden Sendungen mit einer festgelegten Summe zu entlohnen. In Zukunft könnten die Arbeitgeber eine von ihnen ausgerechnete Stundenzahl eintragen und nur danach bezahlen. Dann müssten die Beschäftigten nachweisen, dass sie dafür länger gebraucht hätten. Hunderttausende könnten so um den ihnen zukünftig zustehenden gesetzlichen Mindestlohn gebracht werden. Dabei gebe es schon heute genügend Anbieter, die in täglicher Praxis zeigen, dass die Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit keine bürokratische Hürde ist.

"Die Verordnung des Bundesfinanzministeriums nimmt ausgerechnet die Branchen von wirksamen Arbeitszeitkontrollen aus, in denen etliche Unternehmen schon in der Vergangenheit über Lohndumping massiven Druck auf tarifgebundene und fair zahlende Arbeitgeber ausgeübt haben", sagt der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. Mit so wenigen erfassten Rahmendaten lohne sich eine Überprüfung durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) erst gar nicht. Wie nötig sie ist, um Mindestlöhne effektiv durchsetzen zu können, schilderte bei der Veranstaltung der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger. In dieser Branche wurden 1996 Mindestlöhne eingeführt. Doch schon jetzt sei die FSK, die übrigens auch dem Bundesfinanzministerium untersteht, mit 6700 Kontrolleur/innen am Limit. "Der Mindestlohn kommt nur dort bei den Beschäftigten an, wo die FSK kontrolliert", so Feiger. Er fordert eine Aufstockung der FSK auf mindestens 10.000 Beschäftigte.

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Rat und Hilfe bei Fragen

"Der gewerkschaftliche Rechtsschutz steht bereit, vor Gericht für jedes einzelne Mitglied um die gesetzlich vorgesehene Entlohnung zu kämpfen", sagt der Leiter der ver.di-Rechtsabteilung, Jens Schubert. Wer Probleme und Fragen hat, soll sich an den ver.di-Rechtsschutz wenden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schaltet vom 2. Januar bis zum 31. März eine Mindestlohn-Hotline. Sie ist montags bis freitags von 7 bis 20 Uhr, samstags von 9 bis 16 Uhr zu erreichen unter der Rufnummer

0391 / 408 80 03.

Zum Festnetztarif werden dort alle Fragen zum Mindestlohngesetz beantwortet.

Die ver.di-Juristen Jens Schubert und Kerstin Jerchel haben gemeinsam mit Franz Josef Düwell, ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, das Handbuch Das neue Mindestlohngesetz herausgegeben. Es ist im Nomos-Verlag Baden-Baden erschienen, hat 183 Seiten und kostet 34 Euro. Die Autoren zeigen alle wichtigen juristischen Streitpunkte auf und bieten konkrete Lösungsmöglichkeiten.