Dem Fortschritt Beine machen

Breit gefächert sind die Forderungen der hessischen ver.di-Frauen

von Renate Bastian

Auch am 31. Januar 2015 betritt Elke Moeller tatenfroh wie gewohnt das Frankfurter Gewerkschaftshaus. Dort findet an diesem Tag die hessische Frauenkonferenz der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft statt. Ein bisschen Wehmut schwingt dieses Mal mit, denn es ist Elke Moellers letzter Tag als Vorsitzende des Landesfrauenrats. Für die Kollegin beginnt ein neuer Lebensabschnitt, begleitet von Standing Ovations der Konferenz. Seit der Gründung von ver.di hat sie ihr Ehrenamt nicht nur wahrgenommen, sie hat es gelebt.

Den Stab gibt Elke Moeller an diesem Tag weiter an Mathilde Meyer. Die gebürtige Französin arbeitet als Erzieherin bei der Stadt Frankfurt, ist Gesamtpersonalrätin und wird einstimmig zur neuen Vorsitzenden gewählt. Das ist Vertrauensvorschuss und Auftrag zugleich.

Die Themen, so Mathilde Meyer nach ihrer Wahl, seien leider so alt wie die Frauenbewegung: "Nehmen wir die Gleichstellung beim Entgelt. Wie soll man sich rational erklären, dass die Bezahlung der Arbeit von Frauen im Durchschnitt auch heute noch rund 22 Prozent niedriger ausfällt als die von Männern für vergleichbare Tätigkeiten? Drei Viertel der Minijobs werden von Frauen erledigt. Das nenne ich strukturelle Benachteiligung."

Noch hinkt die praxis der Rechtslage hinterher

Das zu ändern, wird weiterhin ein Schwerpunkt der gewerkschaftlichen Frauenpolitik sein. Was ist der Gesellschaft die Arbeit einer Erzieherin, einer Krankenschwester, einer Angestellten im öffentlichen Dienst wert? Wenn es nicht anders gehe, müsse ein Entgeltgleichheitsgesetz her, heißt es auf der Konferenz. Hinter diesem Wortungetüm steht die Verpflichtung von Betrieben, die vorhandenen Entgeltsysteme im Hinblick auf geschlechtergerechte Bezahlung zu analysieren, transparent zu machen und zu korrigieren. Dabei gehe es nicht um Fraueninteressen allein, sondern auch um Familienpolitik. Und zwar europaweit.

Eine weitere Baustelle für die ver.di-Frauen ist das hessische Gleichstellungsgesetz. Die Praxis hinkt auch hier hinter den rechtlichen Möglichkeiten her. Es dürfe nicht sein, dass Frauenbeauftragte als Teil einer Dienstelle wahrgenommen werden: Sie müssen autonom agieren können. In vielen Fragen, so die neue Vorsitzende des hessischen ver.di-Frauenrats, stehe ein Kulturwandel noch aus. Daran will Mathilde Meyer arbeiten - mit Teamgeist, mit einer Aufwertung des Gremiums, dem sie vorsitzt, auch und gerade innerhalb von ver.di, ihrer Gewerkschaft. Insbesondere sollen junge Frauen in den Betrieben und Bezirken für die Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen mobilisiert werden.

Einsatz für die 30-Stunden-Woche

Die 54 Delegierten der Frauenkonferenz sind sich einig, dass das Schneckentempo des Fortschritts immer ungeduldiger mache. In vielen Bereichen sei man über Sonntagsreden bisher nicht hinaus gekommen. Dem Fortschritt müssten Beine gemacht werden.

Dafür gehen den Gewerkschaftsfrauen die Visionen nicht aus. Sie wollen sich für die 30-Stunden-Woche einsetzen. Das sei ein gesellschaftspolitisches Konzept, das in den Gewerkschaften wieder auf die Tagesordnung gehöre - und zwar nicht nur für Frauen.