Vom dicken Aktenordner zur schlanken eAkte. Wie die Digitalisierung Arbeit und Service in öffentlichen Behörden verändert

Früher wurden dicke Ordner gefüllt und im Keller aufbewahrt. Heute klappert oft nur noch die Tastatur. Computer und Co verändern unseren Alltag massiv. Ob persönliche Kommunikation, Hartz-IV-Antrag oder die lästige Steuererklärung, immer mehr geschieht per Knopfdruck. Dem digitalen Wandel können sich auch Behörden und Verwaltungen nicht entziehen. Doch während die Bürger/innen schnelle und sichere Verwaltungsvorgänge fordern, setzen Behörden zunächst auf Vereinfachungen und Kostenersparnis vor allem bei internen Arbeitsprozessen.

Öffentliche Verwaltung 2020

Mit ihrem 2014 aufgelegten Programm "Digitale Verwaltung 2020" will die Bundesregierung dennoch verwirklichen, "dass die öffentliche Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger auch elektronisch erreichbar ist". Alle Bürgerämter und Verwaltungen sollen bis 2020 ihre Dienstleistungen vollständig auf elektronischem Wege anbieten. Papierordner sollen von der eAkte abgelöst, die elektronische Identifizierung ausgebaut und bürokratische Angelegenheiten grundsätzlich digital möglich sein. Zudem sollen bestimmte Verwaltungsdaten auf dem übergreifenden Portal GovData für jeden zugänglich bereitgestellt werden (www.govdata.de) - von der polizeilichen Kriminalstatistik über Informationen zur Entwicklungszusammenarbeit und zu Sozialbudgets bis hin zu Angaben der Deutschen Digitalen Bibliothek.

Von digitaler Verwaltung kann aber trotz technischer Neuerungen noch keine Rede sein. Doris Hülsmeier, Gesamtpersonalrätin beim Land und der Stadtgemeinde Bremen mit über 29.000 Beschäftigten, sagt: "Die 1986 entstandenen Dienstvereinbarungen mit dem Ziel menschengerechter und sozialverträglicher Gestaltung von Technik regeln im Grunde noch heute alles." Einzelne Technikbestandteile würden sich ja ständig überholen, da kämen die Vereinbarungen nicht hinterher. In der noch immer gültigen Technik-Dienstvereinbarung werden Anforderungen an menschengerechte Arbeit beschrieben. Das gehe weit über die automatisierten Datenverarbeitungsangelegenheiten hinaus. Permanente Erreichbarkeit durch mobile Geräte und stundenlanges Sitzen am Computer, das gefährde die Gesundheit. Man müsse heute "auch über das Recht auf Nichterreichbarkeit reden", sagt Hülsmeier.

Fred Hoppe-Kiaup schult in der Bremer Verwaltung Beschäftigte in digitalen Themen, angefangen bei klassischen Softwareprogrammen bis hin zu elektronischen Akten und Dokumentenmanagementsystemen. Die Vision, alle Verwaltungsprozesse zu digitalisieren, sieht Hoppe-Kiaup allerdings skeptisch. "Digitalisierung macht nur bei formalisierten und standardisierten Prozessen Sinn." Verhandlungen um Budgets und Mittelvergaben müssen auch weiterhin direkt erfolgen. Und natürlich sei bei digitalen Prozessen auch der Datenschutz wichtig. Dieser müsse noch mehr von den Softwareherstellern gefordert werden, mache aber auch für die Beschäftigten zusätzliche Arbeit, wenn sie verschlüsseln und signieren sollen.

Die Freiheit des einzelnen

Personalrätin und IT-Berater sehen die Prozesse hin zu einer digitalen Verwaltung noch ganz am Anfang. Noch geht es um digitale Akten und Dokumentenmanagement, um interne Veränderungen, um schnelle Vorgänge, Kostenersparnisse bei Umstrukturierungen und das berechtigte Bedürfnis der Beschäftigten auf gute Arbeit, um ihren Gesundheitsschutz und Schutz vor Überlastung. Die von außen gestellten Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger an die Verwaltung stehen da noch auf einem ganz anderen Blatt. "An das Gemeinwohl und die Frage, welchen Kriterien technische Infrastrukturen unterliegen müssen, wird noch nicht ausreichend gedacht", sagt Annette Mühlberg bei ver.di für Digitalisierung, eGovernment und Neue Medien zuständig.

Digitale Arbeit, wie sie beispielweise die Bundesregierung in der digitalen Agenda voranbringen will, wird zwar von der Gewerkschaft begrüßt, muss aber auch bestimmten Rahmenbedingungen unterliegen. Zu klären sind dabei nicht nur Fragen der Softwareergonomie, der Arbeitszeit oder der Schutz der Privatsphäre. Zu klären ist auch, dass öffentliche Verwaltungen und Behörden nicht ihre Kompetenzen verlieren und fachliche Entscheidungen an externe IT-Firmen abgeben.

Datenaskese bleibt ein wichtiger Grundsatz. Für Beschäftigte wie Bürger/innen. Das heißt, jeder muss die Freiheit behalten, selbst zu entscheiden, wer Zugang zu seinen persönlichen Daten bekommt und was damit geschieht. Auch darf kein Bürger gezwungen sein, an der digitalen Welt teilnehmen zu müssen. Aus ver.di-Sicht muss die digitale Verwaltung eben auch die Bürgerinteressen in den Blick nehmen, die Infrastrukturen schützen und sich vor Ausspähung schützen.