Detlef Ahting

"Die Arbeit der Zukunft gestalten wir!" Der diesjährige Tag der Arbeit, der sich zum 125. Mal jährte, stand unter diesem Motto. Wie passend es ist, zeigt die Veränderung der Arbeitswelt und der Gesellschaft. Ob Zuwanderung oder Digitalisierung: Über neue Herausforderungen für die Gewerkschaften sprach ver.di publik mit ver.di-Landesleiter Detlef Ahting.

verdi-publik - Weltweit sind mehr als 50 Millionen Menschen auf der Flucht. 170.000 sind im letzten Jahr zu uns gekommen. Die Politik versagt, die Fremdenfeindlichkeit nimmt teilweise zu. Was können Gewerkschaften tun?

Detlef Ahting - Wir wollen eine Politik, die ein soziales und gerechtes Miteinander schafft. Es ist unerträglich, mit welchem Zynismus die Politik mit dieser Situation umgeht und so unfreiwillig den Boden für menschenverachtende Ideologien wie die von Pegida bereitet. Wo Menschenrechte verachtet werden, müssen Gewerkschafter aufstehen - für eine weltoffene und demokratische Gesellschaft. Wir zeigen Flagge gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und stehen zu unserer Verpflichtung, Verfolgten Asyl zu gewähren! Die Kommunen brauchen daher Finanzmittel zur Unterbringung von Flüchtlingen und Integration von Asylsuchenden. Und das Geld dafür ist da!

verdi-publik - Auch gute Bezahlung sorgt für sozialen Frieden: Hat der Mindestlohn den Durchbruch gebracht?

Ahting - Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn war überfällig. Das ist ein riesiger Erfolg der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder. 3,7 Millionen Beschäftigte profitieren davon, allein 600.000 in Niedersachsen. Der Mindestlohn ist auch ein Wirtschaftsförderungsprogramm. Er bringt Geringverdienern mehr Lohn, der Wirtschaft mehr Kaufkraft und schafft langfristig auch mehr Jobs. Wir müssen hier in Niedersachsen alles dafür tun, um unsichere, prekäre Beschäftigung einzudämmen -in der Fleischindustrie, den Werften und den Dienstleistungsbranchen.

verdi-publik - Stichwort Arbeit der Zukunft: Was kann ver.di dafür tun?

Ahting - Mit unserer Tarifpolitik und der deutlichen Steigerung der realen Tarifeinkommen gestalten wir aktiv die Arbeit der Zukunft und tragen zu einem guten gesellschaftlichen Rahmen bei, wenn auch nicht immer auf dem Verhandlungsweg. Unsere Erfolge können sich sehen lassen: Erstmals haben wir in Niedersachsen einen Tarifvertrag mit der Diakonie abgeschlossen, also mit kirchlichen Arbeitgebern. Das ist gut für die Beschäftigten und die Gesellschaft. Mehr Kaufkraft und Nachfrage durch höhere Einkommen bringen mehr Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen. Das hilft allen!

verdi-publik - Die Arbeit der Zukunft steht für Gute Arbeit?

Ahting - Ja, das Leitbild Gute Arbeit steht für eine moderne, humane Arbeitswelt. Die Basis dafür sind unbefristete Arbeitsverhältnisse, strikt geregelte Leiharbeit und die Eindämmung prekärer Beschäftigung. Hinzu kommen gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Mitbestimmung, Mindestlohn und Tarifbindung. Doch Gute Arbeit zielt auch auf eine hohe Qualität der Beschäftigung: faire Löhne, Arbeitsplatz- und soziale Sicherheit, Gesundheitsschutz und Familienfreundlichkeit. Wir arbeiten flexibler. Doch das darf nicht länger eine Einbahnstraße für Arbeitgeber sein. Wir brauchen neue Regeln für neue Technologien und digitale Medien. Ich fordere, dass Unternehmen mehr ausbilden, mehr in Zukunftsberufe investieren und den Beschäftigten Zeit zur Qualifizierung einräumen. Die Technik entscheidet nicht über die Arbeit der Zukunft - das entscheiden die Menschen. Wir wollen, dass Beschäftigte die Arbeitszeit an ihre Wünsche anpassen können. Daher müssen wir die Debatte über Umfang und Gestaltung von Arbeitszeiten vorantreiben. Das ist ein wichtiger Baustein bei der Gestaltung der Arbeit der Zukunft.