"Ein Euro mehr ist angemessen"

Christine Rothe

Bei Streiks und vielen ver.di-Aktionen ist Christine Rothe aktiv dabei und steht in der ersten Reihe. Die 49-jährige gelernte Verkäuferin arbeitet schon fast 30 Jahre im Einzelhandel. Nach Ausbildung und drei Jahren Tätigkeit bei einer Preiswert-Kette ist die alleinerziehende Mutter eines 15-Jährigen schon lange bei H&M in Hannover beschäftigt.

"Seit 26 Jahren bin ich bei H&M und habe schon die Eröffnung des Geschäfts im Frühjahr 1989 vorbereitet", sagt sie. Anfangs habe sie Vollzeit gearbeitet. Nach drei Jahren Elternzeit stieg sie 2003 wieder ein und konnte nach und nach auf 32,5 Stunden pro Woche aufstocken. "Die Zeiten haben sich gewandelt, überall in der Branche", sagt sie, spricht von Personalabbau und Arbeitsverdichtung. In den Anfangsjahren hätten auf jeder Etage 12 bis 13 Vollzeitkräfte gearbeitet, heute gebe es kaum noch "Vollzeiter", dafür mehr Verkaufsfläche. Viele hätten "Flex-Verträge". Diese 18-Stunden-Verträge können nach Bedarf erhöht werden und man wird kurzfristig eingesetzt.

"Derzeit haben wir 111 Beschäftigte, davon 20 Männer", sagt Christine Rothe, die als Ersatzmitglied auch im Betriebsrat aktiv und bei fast jeder Sitzung dabei ist. Seit 2004 ist sie ver.di-Mitglied.Natürlich gebe es Betriebsvereinbarungen über die Arbeitszeit, und die Zustimmung des Betriebsrats sei häufig erforderlich. Noch vor einigen Jahren durfte man mal kurz sitzen, etwas trinken - einfach mal eine kleine Pause machen. "Das ist heute nicht mehr möglich. Die Aufgaben werden immer umfangreicher." Auch wenn H&M nach Tarif zahlt, könne sie als Alleinerziehende keine großen Sprünge machen. Die Branche ist für ihre nicht gerade üppigen Gehälter bekannt. So hat sie trotz eines Stundenlohns von 14,71 Euro nur 1453 Euro netto im Monat. Minus Jobticket bleiben 1379 Euro. In Hannover-Ledeburg zahlt sie 674 Euro für Warmmiete und Strom, bleiben 700 Euro zum Leben. "Davon gehen noch Telefon und Internet ab und 20 Euro für einen Sparvertrag für meinen Sohn." Einziger Luxus, den sich Christine Rothe leistet: ein 20 Jahre altes Auto, das sie geerbt hat. "Urlaub ist nicht drin, einkaufen nur beim Discounter, und kaputtgehen darf auch nichts", sagt sie.

Dabei ist Arbeit im Einzelhandel Schwerarbeit: Den ganzen Tag stehen, volle Aufmerksamkeit an der Kasse, häufig musikalische Dauerberieselung. "Ob ich bis zur Rente durchhalte, weiß ich nicht." Die Kollegin unterstützt daher alle ver.di-Tarifforderungen nach mehr Lohn im Einzelhandel. "Ein Euro mehr pro Stunde, das ist mehr als angemessen!" Die erste Tarifverhandlung in Niedersachsen hat Ende Mai stattgefunden.

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