"Ich will mich endlich beweisen"

Nadhal Saleh lernt weiter: "Die Hauptsache ist, dass ich bald wieder in meinem Beruf arbeiten kann."

Dass ihr Start in Deutschland nicht leicht werden würde, hatte Nadhal Saleh schon damals geahnt, als sie im Büro der Vereinten Nationen im syrischen Damaskus saß. Dort ließ sich die heute 56-jährige irakische Ingenieurin vor sieben Jahren als Flüchtling registrieren. Sie erfuhr, dass Deutschland sie aufnehmen werde, weil ihre Schwestern und ihr Bruder dort bereits Zuflucht gefunden hatten. "Ich wollte lieber nach Großbritannien. Dort hätte ich mit meinen Qualifikationen sofort eine Stelle gefunden", sagt Nadhal Saleh. "Und ich wusste, dass ich in Deutschland ja erst die Sprache lernen muss."

Die Baumaschinen- und Technische Ingenieurin liebt ihren Beruf. Die Arbeit kam für sie stets an erster Stelle. In Bagdad und Umgebung hat sie Transformatoren zur Energiegewinnung gebaut, sie hat Brücken konstruiert und war verantwortlich für die Qualitätssicherung bei Reparaturprozessen. Sie pflegte internationale Kontakte, spricht fließend Englisch.

Nach dem Einmarsch der US-amerikanischen Truppen verschlechterte sich die Sicherheitslage in der Region. Allein konnte sie nicht mehr auf die Straße gehen. Ihre Fahrten zu den Inspektionen waren gefährlich. 2006 floh Nadhal Saleh ins Nachbarland Syrien. Dort hatte sie gute Kontakte über ehemalige Kollegen und fand bald eine Stelle als Ingenieurin in einer Aluminiumfabrik. Doch die dortigen Aufenthaltsregelungen für Flüchtlinge verschärften sich. "Es wurde immer schwieriger, vor allem für mich als Frau", sagt Nadhal.

Ankunft in Deutschland

Nadhal Saleh kam im eisigen Winter 2010 im niedersächsischen Cuxhaven an. Zuerst paukte sie Deutsch in Integrationskursen. Um als Ingenieurin zu arbeiten, so erfuhr sie, brauche sie keine formale Anerkennung ihres irakischen Abschlusses. Sie könne sich direkt bei den Unternehmen bewerben. Doch Flüchtlinge haben in Deutschland keine Kontakte, keine beruflichen Netzwerke. Ihre Bewerbungen blieben ohne Antwort. "Kein Unternehmen stellt so einfach eine irakische Ingenieurin ein", sagt Nadhal Saleh mit Bitterkeit in der Stimme. "Sie misstrauen unseren Zeugnissen und Arbeitsbescheinigungen." Ihre Arbeitsvermittlerin empfahl ihr eine Weiterbildung bei der "Otto Benecke Stiftung", die ausländische Akademiker/innen bei der Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt unterstützt.

Über die Stiftung besuchte Nadhal Saleh einen dreimonatigen Deutschkurs für Ingenieure und Naturwissenschaftler in Magdeburg und absolvierte ein zwölfmonatiges Ergänzungsstudium "Regenerative Energietechnik" in Osnabrück. In diesem Bereich, so hoffte sie, würden sich bessere Jobchancen für Ingenieure bieten. Doch ihre Bewerbungen blieben weiter unbeantwortet. Die neue Arbeitsvermittlerin riet der Ingenieurin, einen Putzjob anzunehmen. Doch sie versuchte, weiter an sich zu glauben und nicht aufzugeben. Aber es gab Tage, "an denen fühlte ich mich einfach nur noch müde".

Wieder Fachvokabeln büffeln

Durch eine Studienkollegin erfuhr sie, dass der Verein "Interkulturelle Bildung Hamburg" Brückenkurse für ausländische Ingenieure anbietet, um sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dort büffelt Nadhal Saleh nun seit drei Monaten wieder Fachvokabeln. Experten aus der Praxis informieren im Kurs über die Gepflogenheiten der Branche, beraten die Teilnehmer/innen in ihrem Auftreten. Doch das wichtigste: Die Dozenten verfügen über ein großes Netzwerk mit Verbindungen zu Unternehmen. Ein Betrieb hat Nadhal Saleh bereits Interesse signalisiert. Wenn sie sich im Praktikum bewährt, lockt eine Festanstellung. "Der Anfang wird schwer", sagt sie. "Aber ich bin sicher, dass ich es schaffe." Das klingt wieder selbstbewusst und optimistisch. "Ich brauche endlich eine Chance, mein Können zu beweisen."

Michaela Ludwig

Otto Benecke Stiftung: http://www.obs-ev.de/www.obs-ev.de

Interkulturelle Bildung Hamburg: www.ibh-ev.de,

Teil des IQ Netzwerks Hamburg: www.nobi-nord.de