Die Stadt Celle hat vor vier Jahren als eine der ersten Kommunen in Deutschland das anonymisierte Bewerbungsverfahren eingeführt. Inzwischen stellen immer mehr Städte auf die diskriminierungsfreie Personalauswahl um. Hannover, Mainz, Mannheim, Offenbach, Göttingen, Nürnberg und viele weitere sind gefolgt. Ziel ist es, die besten Bewerber und Bewerberinnen auf eine Stelle zu finden - losgelöst von allen äußerlichen Einflüssen wie ethnische Herkunft, Alter und Geschlecht. Bis zum Vorstellungsgespräch bleiben Name und Gesicht des Bewerbers anonym - und damit auch der eventuelle Migrationshintergrund.

Chancengleichheit für alle

"Celle wollte mehr Chancengleichheit für alle erreichen", sagt Personalrat Ralf Piening. Deshalb hat die Stadt als eine der ersten am Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes teilgenommen. Eine bewusste Diskriminierung habe es aber auch zuvor nicht gegeben, betont Piening. Andreas Lenz, ebenfalls im Personalrat, fügt hinzu: "Diskriminierung ist allerdings nur selten offensichtlich zu erkennen." Am stärksten treffe es ältere Bewerber oder Menschen mit Migrationshintergrund, die sich auf höhere Stellen bewerben. Personalrätin Silke Howe stimmt zu. Sie weiß von Überlegungen, einen wesentlich älteren Bewerber gar nicht erst einzuladen, weil es schon ausreichend passende jüngere Bewerber gibt.

Für und Wider

Bei anonymisierten Bewerbungsverfahren soll so etwas nicht passieren. Nur die beruflichen Fakten zählen. Das Auswahlverfahren setzt auf Qualifikation, auf Zeugnisse und nachgewiesene Leistungen. Allerdings muss die Kommune dazu auch die Formulare gründlich vorbereiten, um die Informationen zu bekommen, die sie für ihre Auswahl braucht. "Die Software muss vernünftige Filterfunktionen und Übersichten für alle Beteiligten enthalten", sagt Andreas Lenz. Das Verfahren sei nur so gut wie das Anforderungsprofil und die Auswahl der Kriterien, auf denen das Bewerbungsformular beruht, urteilt Silke Howe. Ein Problem sei, dass nicht unbedingt der, der sich schriftlich super verkaufen könne, auch wirklich der Beste für den Job sei. Mancher habe vielleicht nicht die besten Noten, bringe dafür aber viel mehr Können durch praktische Berufserfahrung mit.

Andreas Lenz hält das anonymisierte Verfahren dennoch für eine sehr gute Sache, "weil es gerecht ist". Die Zusammenstellung der Personen, die die Vorstellungsrunde erreichen, verändere sich deutlich. Dieser Tatsache müsse man sich aber bewusst sein. Es kämen auch "40-Jährige, die sich auf einen Ausbildungsplatz bewerben. Und Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und Leistungen das Vorstellungsgespräch erreichen." Zwar habe sich der Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund bei der Stadt Celle nicht wahrnehmbar verändert, sagen die Personalräte, doch jetzt habe jeder Bewerber, jede Bewerberin die Gewissheit, im ersten Schritt auf Chancengleichheit zu stoßen.

Spätestens beim Vorstellungsgespräch aber spielt wieder der persönliche Eindruck eine Rolle. Diesen Part könne das anonymisierte Verfahren leider nicht ersetzen, sagt Ralf Piening. Und Silke Howe: "Ich neige sowieso dazu, mehr Bewerber einzuladen, weil viele die Mindestanforderungen erfüllen und ich mir nicht anmaßen möchte, den Schnitt nur über die Schulnoten zu machen." Sie fügt hinzu, dass ihrer Meinung nach mit persönlicher Disziplin auch ohne anonymisiertes Verfahren eine diskriminierungsfreie Auswahl machbar sei.

Frauen und Migrant/innen profitieren am meisten

Als Projektergebnis gab die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bekannt, dass vor allem Migranten und Frauen bei Bewerbungen ohne Foto, Alter und Namen profitieren. Ein Beispiel aus Celle ist die IT-Administratorin Susanne Bornewasser. Sie wurde vor einem Jahr von der Stadt nach einer anonymen Bewerbung zum Vorstellungsgespräch eingeladen. "Ich bin ein großer Fan des Verfahrens", sagt sie. Der Leiter der Stadtwerke hat von dem Verfahren gleich doppelt profitiert: Sein indischer Name blieb bis zum Vorstellungsgespräch unbekannt - und damit auch die Verbindung zu seinem in der Politik bekannten Bruder. Das Vorstellungsgespräch hat er jedenfalls ohne Parteibuch erreicht.

Marion Lühring