"Ich lerne das, bestimmt"

Ende Mai ist der Brief an den Boss der Reinigungsfirma abgegangen. Darin wird der Berliner Unternehmer aufgefordert, den sechs Frauen und Männern aus Kenia endlich die noch ausstehenden Löhne zu zahlen. Sonst wird beim Arbeitsgericht geklagt. Der 27-jährige Kadiri Akpabio ist einer der sechs. Für volle zwei Monate Putzen in großen Supermärkten hat er keinen Lohn bekommen, bei den anderen ist die unbezahlte Zeit noch länger. "Ohne die Hilfe von Markus Kip vom ver.di-Arbeitskreis Undokumentierte Arbeit hätten wir diesen Brief nicht gewagt", sagt Kadiri. Von Kip wissen sie, dass auch Asylsuchende für ihre geleistete Arbeit bezahlt werden müssen und dass der Aufenthaltsstatus in solchen Fällen vor Gericht keine Rolle spielt.

Kadiri Akpabio kommt aus Kenia, seit drei Jahren ist er in Deutschland. Sein Asylverfahren ist noch nicht entschieden. Zu Hause konnte er die Schule nicht beenden, weil die Oma, bei der der Junge aufwuchs, das Geld dafür nicht aufbringen konnte. Er begann eine Ausbildung an einem Gastronomie-College, die aber auch zu teuer war, lernte ein bisschen in einem niederländischen Projekt, wo er kellnerte und kochte. Aber einen Beruf richtig zu erlernen und vor allem zu arbeiten, langfristig, regelmäßig und bezahlt, das ist sein größter Wunsch. In Kenia sah er keine Chance mehr für sich. Er war dort auch politisch engagiert gewesen, hatte sich für Meinungsfreiheit eingesetzt, gegen Wahlbetrug und Korruption. Er sah, "dass die Regierenden nur an sich denken, sich bereichern, und dass unter den einfachen Leuten die Arbeitslosigkeit immer mehr wächst. Die Armut auch." Er wollte weg, etwas aus seinem Leben machen, lernen, Geld verdienen und dann irgendwann zurückkommen nach Hause. Das will er immer noch. "Ich liebe mein Heimatland doch", sagt er.

Beharrlich auf der Suche

2012 hat Kadiri in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Er hat eine Unterkunft in einem Asylbewerberheim in Brandenburg, gegen das er vor allem eines einzuwenden hat: Es liegt mitten im Wald, völlig abgeschieden. Eine Chance auf Arbeit, auf Kontakte und Integration gibt es dort nicht. Kadiri ist in Berlin bei Freunden untergekommen, meldet sich regelmäßig im Heim und sucht ausdauernd nach Arbeit. Unbezahlte Praktikumsplätze hat er schon einige gehabt. Bei einem großen Getränkemarkt und in einem Berliner Hotel zum Beispiel. Zehn, zwölf Stunden am Tag wurde da gearbeitet. Kadiri hat sechs Wochen lang Töpfe und Pfannen gespült, manchmal auch gekocht, sogar nach Rezepten aus seiner afrikanischen Heimat. Er erschien regelmäßig eine halbe Stunde vor Schichtbeginn, denn "ich wollte überzeugen", sagt er. Trotzdem bekam er am Ende keine Arbeitsstelle, vielmehr eine schlechte Beurteilung. Er findet: eine ungerechte. Ein Chef hatte ihm direkt ins Gesicht gesagt: "Warum arbeiten hier bloß immer wieder Schwarze?"

Kadiri hat weiter nach Arbeit gesucht, sich beworben, nicht nachgelassen. Immer wieder hieß es: Machen Sie doch noch etwas länger das unbezahlte Praktikum bei uns, dann kriegen Sie vielleicht einen Job ... Es wurde nie was draus. Jobs in der Leiharbeit bot man ihm an, aber das gestattet die Ausländerbehörde nicht. Andere Arbeitgeber schreckten zurück, wenn Kadiri die Formulare vorlegte, die ausgefüllt werden müssen, damit er arbeiten darf. "Vielleicht später, tut mir leid. Diesen Satz habe ich tausendmal gehört", sagt der junge Mann, der sehr gut Deutsch spricht. Doch ob er schon daran gedacht hat, aufzugeben - die Frage versteht er trotz seiner Sprachkenntnisse im Grunde nicht. "Ich habe immer weiter gesucht", sagt er. "Was sonst? Ich bin schon 27, bald 30. Die Zeit rennt, in einem kleinen Augenblick bin ich 40. Ich will es jetzt schaffen."

Seine Beharrlichkeit scheint sich erst mal gelohnt zu haben. Zufällig kam er an der Deutschen Angestelltenakademie in Berlin-Neukölln vorbei. Die bietet auch Ausbildungsplätze an. "Ich bin reingegangen, habe gefragt und mich beworben. Schon kurz darauf, Ende April, konnte ich anfangen." Bis Oktober läuft seine Ausbildung zum Altenpflegehelfer. Ob er sich überhaupt vorstellen kann, mit alten und kranken Menschen zu arbeiten? "Aber ja", sagt Kadiri, "alles kann ich mir vorstellen. Ich suche jetzt nach einem Praktikumsplatz für die Ausbildung. Ich lerne das, bestimmt." Und dann hat er noch einen zweiten Wunsch: eine eigene Familie, zwei Kinder.

Claudia von Zglinicki

Arbeitskreis Undokumentierte Arbeit Berlin-Brandenburg: http://berlin-brandenburg.dgb.de/beratung/ak-undokumentierte-arbeit

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