V - wie ver.di oder Vielfalt

Hell oder dunkel, Frau oder Mann, jung oder alt - ver.di zeigt Vielfalt. Vor allem dann, wenn die Migrant/innen zusammenkommen, wie zu ihrer 2. Bundeskonferenz, auf der auch dieses Foto entstand. Fünf von ihnen sagen, was ihnen die Gewerkschaft bedeutet, zu der sie gehören, und wie ver.di künftig aussehen wird Protokolle: Claudia von Zglinicki

FOTO: RYSZARD MAJEWSKI


Wir bleiben hier

Eltayeb Mohamed, Hamburg: Die Gewerkschaft ist mein Anwalt, wenn es um die Arbeit geht. Sie kümmert sich, nein, wir kümmern uns, um bessere Arbeitsbedingungen und vernünftige Bezahlung. Ich bin seit mehr als 25 Jahren dabei. Ich komme aus dem Sudan, aus einem Kulturkreis, in dem Solidarität und Hilfsbereitschaft traditionell ausgeprägt waren. Und das sind doch auch die Prinzipien der Gewerkschaft. Als die ersten Gastarbeiter nach Deutschland kamen, hieß es: Die gehen auch wieder. Aber sie blieben, sind längst Teil der Gesellschaft. Die Gewerkschaften waren es, die sie einbezogen haben. Sie haben dafür gesorgt, dass auch Leute ohne deutschen Pass für Betriebsräte kandidieren konnten. Auf dieses Pferd bin ich aufgesprungen, bin aktiv geworden, um zu zeigen: Es bereichert euch, wenn ich dabei bin! Meine Vision: ver.di ist in zehn Jahren die Vorzeigeorganisation dafür, dass Migranten überall dabei sind, auch in allen Gremien.


Meedsche, das gehört sich!

Marie Pozimski, Frankfurt am Main: Als ich 1977 als Arbeiterin bei der Post anfing, kam gleich ein Kollege auf mich zu und sorgte dafür, dass ich Mitglied in meiner Gewerkschaft werden konnte. „Meedsche, das gehört sich!“ Selbstverständlich bin ich eingetreten, lang zu überlegen, gab’s da nichts. Im Moment profitiert ver.di mal wieder von mir, weil ich mich für den Antrag gegen prekäre Arbeit an den ver.di-Bundeskongress eingesetzt habe, bei den Migrant/innen, den Arbeiter/innen und bei den Frauen. Ich bin überall aktiv, wo es mir möglich ist, als „lebende Vernetzung“, wie ein Kollege vor kurzem mal sagte. Es macht Spaß zu sehen, dass da was geht. Ich bin Teil einer Organisation, die ich für wichtig halte, in Deutschland, in Europa, ich finde sogar: auf der Welt. Allein kann ich 1 000 Anträge schreiben, das ist nichts wert. Zusammen ist das anders. Und dass auch Migrant/innen bei ver.di aktiv sind, wird irgendwann für alle selbstverständlich sein. Schon bald!


Schätze hervorkitzeln

Ilhan Isözen, Lübeck: Ich war schon in der Türkei in der Gewerkschaft, mit 18, als ich bei der Landvermessung gejobbt habe. Heute bin ich bei ver.di, weil ich Einfluss auf das Land nehmen möchte, in dem ich lebe. Ich habe gern viele Leute um mich herum. Als Leiter des Hauses der Kulturen habe ich genug Trubel, aber als Karikaturist bin ich eher Einzelgänger. Es tut daher gut, auch dank ver.di, mit vielen Menschen zusammenzukommen und etwas zu tun - für Tariflöhne und gute Arbeit, gegen Ausbeutung. ver.di muss für alle Leute in den Betrieben da sein, auch für die Einwanderer. Natürlich braucht uns die Gewerkschaft, aber die Frage nach unserer Daseinsberechtigung sollte sich eigentlich gar nicht stellen; wir gehören dazu, wir sind viele! Die Migranten, die schon ver.di-Mitglieder sind, sehe ich als große Zielgruppe für Seminare, Workshops, Aktionen... Damit sie nicht nur stumme zahlende Mitglieder bleiben. Vorhandene Schätze muss man hervorkitzeln!


Mal über ver.di reden

Fatma Erdem, Berlin: Wenn mein Vater damals Probleme in Deutschland hatte, im Betrieb oder mit Ämtern, dann ging er zu einem teuren Steuerberater, um sich helfen zu lassen. Gewerkschaften kannte er gar nicht. Ich dagegen habe neben dem Studium schon als Beraterin bei der Ausländerberatungsstelle, wie es damals hieß, angefangen und dort gelernt, dass Gewerkschaften oft viel besser helfen können als Steuerbüros. Und was bringen wir der Gewerkschaft? Sprachkenntnisse. Erfahrungen aus anderen Ländern. Flexibilität. Leider wissen viele Leute, die zu mir in die Beratungsstelle für Migrant/innen bei „Arbeit und Leben” im DGB-Haus kommen, nicht, dass ver.di auch für sie da ist. Die Gewerkschaft muss sich noch besser bekannt machen, in vielen Sprachen. Mitglieder sollten andere ansprechen, sie einladen, sich bei ver.di zu informieren. Über Erwerbslosigkeit zum Beispiel, über ihre Rechte. Über die Rente, gerade die ist ein brennendes Thema, das merke ich in meiner Arbeit jeden Tag.


Zusammen gegen Niedriglöhne

Angela Ciliberto, Nürnberg: Ich kann sehr überzeugend sein! Vor kurzem habe ich einem Mann, der gerade seinen Job verloren hatte, von ver.di erzählt. Der ist jetzt auch Mitglied. So läuft das am besten: Man muss Leute ansprechen. Gerade wir, die aus anderen Ländern kommen, können Migranten gewinnen, nicht nur wegen der Sprache. Mich hat vor ein paar Monaten auch eine ver.dianerin geworben, in einem Migrantinnennetzwerk in Bayern, in dem wir uns getroffen hatten. Sie hat mich auch gleich in den Bezirksmigrationsausschuss gelockt. In meiner Arbeit bin ich durch ver.di viel besser geworden, ich weiß einfach mehr. Ich berate auch Italiener, die noch nicht lange in Deutschland sind. Manche haben Probleme mit Mobbing im Betrieb, oft geht es um Schwarzarbeit, geringfügige Beschäftigung, unverschämte Niedriglöhne. Chefs rechnen damit, dass die Leute sich noch Geld vom Amt holen. Ein Einzelner kann dagegen wenig tun, dafür brauchen wir ver.di.