Ausgabe 04/2015
Zehn Wochen Daten horten
Jetzt soll es ganz schnell gehen: Die Bundesregierung will die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Einen Gesetzentwurf hat sie bereits in den Bundestag eingebracht. Noch Anfang März hatte Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, einen "nationalen Alleingang" dementiert. Doch Mitte März vernahm man, dass die EU-Kommission "derzeit" keine neue Richtlinie plane - und ein Machtwort von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel für die neue Vorratsdatenspeicherung.
Bereits am 15. April legte Maas gemeinsam mit Innenminister Thomas de Maizière, CDU, Leitlinien zur "Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten" vor. Einen Monat später war der Gesetzentwurf fertig und wurde am 27. Mai vom Bundeskabinett beschlossen. Am 12. Juni wurde er in erster Lesung im Bundestag beraten.
Außer dem Namen ist bei der Vorratsdatenspeicherung 2.0 die kürzere Speicherfrist neu. Telekommunikationsunternehmen sollen die Daten, wer wann welche Telefonnummer angerufen, wem eine SMS geschickt hat oder unter welcher IP-Kennung im Internet gesurft ist, zehn Wochen lang speichern, die Standortdaten bei Handy-Gesprächen vier Wochen. Diese Daten dürfen Strafverfolgungsbehörden dann bei "schweren Straftaten, die auch im Einzelfall schwer wiegen müssen", abrufen. Um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 2010 und des Europäischen Gerichtshofs von 2014 zu entsprechen, sind E-Mail-Daten von der Speicherpflicht ausgenommen.
Dennoch kommen zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags sowie die Bundesdatenschutzbeauftragte Astrid Voßhoff zu dem Schluss, dass der Gesetzentwurf die verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben in mehreren Punkten nicht erfülle. Dabei geht es unter anderem auch um den Schutz von Berufsgeheimnisträger/innen wie Journalist/innen.
Zuvor hatte auch der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke den Entwurf als "massiven und ungerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und in die Pressefreiheit" kritisiert: "Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die hieraus erwachsenden datenschutzrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und der Datensparsamkeit vertragen sich schlicht nicht mit einer anlasslosen Speicherung auf Vorrat." Werneke hofft, dass "dieser Spuk ein schnelles Ende beim Bundesverfassungsgericht nimmt." Gegen das neue Gesetz wurden bereits mehrere Verfassungsbeschwerden angekündigt.
Zwar sollen die erfassten Daten von sogenannten Berufsgeheimnisträgern nicht verwertet werden, doch die ITK-Wirtschaft hat bereits gewarnt, die Vorgaben des Gesetzentwurfs ließen sich nicht umsetzen. Und: Medienschaffende müssten sich outen. Damit gefährden sie aber auch immer ihre Quellen, so Werneke.
Rüdiger Lühr