Ausgabe 05/2015
Erben nach dem Matthäus-Prinzip
Dierk Hirschel leitet beim ver.di-Bundesvorstand den Bereich Wirtschaftspolitik
Deutschland wird zur Erben-Republik. In den nächsten Jahren wechseln bis zu vier Billionen Euro ihre Eigentümer. Erbschaften gestalten die Lebenschancen einer ganzen Generation. Der große Vermögenstransfer verläuft nach dem Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. So vertiefen Erbschaften die soziale Spaltung. Dabei besitzen die reichsten 70.000 bereits ein Viertel des gesamten Vermögens. Mehr Reichtum in weniger Händen führt das Leistungsprinzip ad absurdum. Während sich viele anstrengen, um nur das Nötigste zum Leben zu erwirtschaften, genießen wenige leistungslos ihren Wohlstand.
Die Politik pflegt den vererbten Reichtum. In der Steueroase Deutschland zahlen Erben großer Vermögen nur drei Prozent Steuern. Zudem wurden in den letzten Jahren mehr als 100 Milliarden Euro Betriebsvermögen steuerfrei verschenkt oder vererbt. Kein Wunder, dass die Erbschaftssteuer der öffentlichen Hand kaum noch etwas einbringt. Jetzt bestünde die Chance, das zu ändern. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber die Rote Karte gezeigt. Firmenerben dürfen nicht weiter unverhältnismäßig bevorteilt werden. Also beschloss die Bundesregierung einen Gesetzentwurf. Merkel, CDU, und Gabriel, SPD, wollen dabei Betriebsvermögen aber weiterhin schonen. Nur sehr große Unternehmenserben - ab 26 Millionen Euro - sollen nach Bedarfsprüfung Steuern zahlen. Alle anderen - rund 99 Prozent - können steuerfrei erben, wenn sie keine Jobkiller sind.
Das schwarz-rote Steuergeschenk für Firmenerben ist ökonomisch unsinnig und sozial ungerecht. Die Erbschaftssteuer hat laut Finanzministerium bis dato kein einziges Unternehmen ruiniert. Die Steueroase für Erben muss ausgetrocknet werden. Alle Vergünstigungen, die nicht dem Gemeinwohl dienen, müssen gestrichen werden. Wem Maschinen und Werkshallen vermacht werden, sollte genau so Steuern zahlen wie die Erben von Yachten oder Villen. Freibeträge, Stundungsregeln und Ratenzahlungen reichen aus, um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Höhere Steuereinnahmen ermöglichen mehr öffentliche Investitionen in Busse und Bahnen, Schulen und Schwimmbäder. Das wäre sozial gerecht und wirtschaftlich vernünftig.