Ausgabe 05/2015
"Ich will Veränderungen"
Gisela Mende
Dass derzeit die Pflegeberufe und die Situation in den Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen im Fokus der Öffentlichkeit stehen, freut Gisela Mende. Nach dem bundesweiten ver.di-Nachtdienst-Check in den Krankenhäusern im März, dem ver.di-Aktionstag für eine gesetzlich festgelegte Personalbemessung am 24. Juni und wegen der laufenden Diskussion um den Entwurf für ein Krankenhaus-Strukturgesetz schauen endlich viele genauer hin. "Genau das wollen wir, aufmerksam machen, dass in vielen Kliniken ein echter Pflegenotstand herrscht - auch in den drei Ländern unseres Landesbezirkes. Ursachen sind die unzureichende Finanzierung der Krankenhäuser, Strukturfehler, der Personalmangel und die fehlenden Investitionen", sagt Gisela Mende.
Gisela Mende ist die ver.di-Landesbezirksfachbereichsleiterin für Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen - noch, denn zum Jahresende geht sie in die Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit. Das ist auch für sie ein guter Zeitpunkt für einen Rückblick auf die letzten 25 Jahre ihres Arbeitslebens, erst bei der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) im kommunalen Bereich in Freiberg, dann bei ver.di und vor allem im Gesundheitsbereich. "Egal, wohin ich heute komme und welche Probleme es in meinem Fachbereich gibt, in den Grundbereichen sind es noch immer die gleichen Dinge, die mich bei meiner Arbeit antreiben: Ich möchte Leute zum Mitmachen motivieren - ob es um mehr Lohn geht oder um die Mitarbeit in Betriebs- und Personalträten. Ich will noch immer Veränderungen, mehr Gerechtigkeit, bessere soziale Verhältnisse und Solidarität unter den Arbeitnehmern."
Vom Haustarif in die Fläche
Tarifverhandlungen sind ein wichtiges Gebiet im Fachbereich von Gisela Mende. Seit dem Zerfall der Flächentarifverträge aufgrund zunehmender Privatisierung von 2004 bis 2006 und der Zersplitterung der Tariflandschaft sind Haustarifverträge fast zum Normalfall geworden. Bei 171 Krankenhäusern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bedeutet das einen immensen Arbeitsaufwand. Es hat aber auch einige Vorteile. "Wir sind nah dran an den Kolleginnen und Kollegen in den Häusern. Mit Mitgliederwerbung und gewerkschaftlicher Betriebsarbeit und der Motivation, für einen Tarifvertrag zu streiten, gelingen uns Erfolge."
Aber es bleibt doch ein mühseliges Geschäft und es ist manchmal personell kaum zu bewältigen. "Wir hoffen sehr, dass es uns gelingt, zu einem Flächentarifvertrag zurückzukehren, auch wenn wir dann wieder neue Formen entwickeln müssen, die uns so nah wie bisher an die Belegschaft heranführen", sagt die Gewerkschafterin.
Im Pflegebereich der Kliniken besteht dringender Handlungsbedarf; das hat nicht nur der Nachtdienst-Check deutlich gemacht. Dreh- und Angelpunkt ist für Gisela Mende die Finanzierung. Die Länder haben sich in den vergangenen Jahren aus der Finanzierung weiter zurückgezogen. Da die Gelder knapp sind, müssen die Häuser Einsparungen erzielen, und das trifft immer wieder den Pflegebereich. Der ist das Feld für Eingriffe - durch Lohnkürzungen und Arbeitsverdichtung, sagt Mende.
In den letzten 20 Jahren hat sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Patienten halbiert, der Pflegeaufwand dagegen steigt, weil es immer mehr ältere und pflegebedürftige Menschen gibt. Aber das Personal wurde nicht aufgestockt. Es herrscht großer Druck. Die Krankenhäuser in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben 93.000 Beschäftigte, das sind nach Berechnungen von ver.di 17.700 zu wenig. Da hilft nur eins: "Wir müssen um die Personalbemessung kämpfen", so das Credo von Gisela Mende.
In den letzten vier Jahren hat die Landesbezirksfachbereichsleiterin auch entscheidend daran mitgewirkt, dass nach der Fusion der ver.di-Landesbezirke Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen in ihrem Fachbereich zusammengefunden haben. Das war kein leichter Prozess, sagt sie. Zu unterschiedlich waren die Ausrichtungen und Schwerpunkte in den Ländern. Auch ein Coaching der Gewerkschaftsekretär/innen und ver.di-Beschäftigten war notwendig, um erfolgreich miteinander arbeiten zu können. Dass das jetzt funktioniert, hat viel mit ihren Bemühungen zu tun.
Nachfolge mit gutem Konzept
Wenn Gisela Mende zum Ende des Jahres die Leitung des Fachbereichs an ihren Nachfolger übergibt, wird das gut vorbereitet sein. Bernd Becker soll ihr im Amt folgen. "Er ist ein Nachfolger mit guten Konzepten", sagt sie. Gemeinsam arbeiten beide schon jetzt an den Schwerpunkten für das Jahr 2016. Der 44-Jährige ist schon lange gewerkschaftlich aktiv, übers Ehrenamt und als Konzernbetriebsrat ist er in die hauptamtliche Arbeit hineingewachsen. Er möchte vor allem die Arbeit mit jungen Leuten in den nächsten Jahren noch weiter in den Vordergrund rücken.