Interview mit Andrea Kocsis, stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Leiterin des Bundesfachbereichs Postdienste, Speditionen und Logistik

ver.di publik - 32.000 Streikende bundesweit, viel öffentliche Aufmerksamkeit und politischer Druck haben im Juli einen Tarifabschluss zwischen ver.di und der Deutschen Post AG ermöglicht. Der Tarifvertrag legt auch fest, dass Beschäftigte, die länger als 24 Monate ununterbrochen befristet bei der Post eingestellt waren, "bei Eignung" entfristet werden. Das klingt vage. Wie sieht es ein paar Wochen nach dem Abschluss aus?

Andrea Kocsis - Sehr gut! Weitere 4.500 zuvor befristet Beschäftigte haben jetzt unbefristete Arbeitsverträge. Die Betroffenen selbst sind natürlich froh darüber, aber auch viele ihrer Kolleginnen und Kollegen finden es positiv, dass die bisher befristet eingestellten Kollegen jetzt eine sichere Perspektive im Unternehmen haben. Gut ist auch die Übernahme von 1.000 Azubis, die ihre Ausbildung bei der Deutschen Post in diesem Jahr abgeschlossen haben.

Im Übrigen hatte der öffentliche Druck, den wir durch die Skandalisierung der unerträglich hohen Zahl von Befristungen ausgelöst haben, schon Anfang 2015 dazu geführt, dass die Deutsche Post AG rund 3.000 Kolleginnen und Kollegen entfristet hat. Das heißt, insgesamt haben nun 8.500 Beschäftigte mehr einen sicheren Arbeitsplatz.

Diese Entfristungen und die Übernahmegarantie sind ein großer Erfolg für uns, weil der Vorstand des Unternehmens seit zwei Jahren immer wieder erklärt hat, es werde niemand mehr zu den Bedingungen des gültigen Entgelttarifvertrags übernommen. Hätte sich der Vorstand mit dieser Position durchgesetzt, würde bei der Post jetzt nur noch zu schlechteren Bedingungen eingestellt. Wir, die ver.di-Mitglieder, konnten das bestehende Entgeltsystem aber erhalten. Es hat gerade durch die nun unbefristet eingestellten Kolleginnen und Kollegen wieder eine Perspektive.

ver.di publik - Schon seit Herbst 2014 hat ver.di die hohe Zahl der Befristungen bei der Deutschen Post AG kritisiert. Gab es auch juristische Möglichkeiten, dagegen vorzugehen?

Kocsis - ver.di hat den betroffenen Mitgliedern bundesweit angeboten, ihre Arbeitsverträge durch die Fachleute vom ver.di-Rechtsschutz überprüfen zu lassen. Das haben viele genutzt. Tatsächlich haben die Juristen dann in den ihnen vorgelegten Dokumenten viele Mängel gefunden. Mehrere hundert Verträge waren nicht haltbar und konnten in unbefristete umgewandelt werden. Auch das ist ein wichtiger Erfolg.

Interview: Claudia von Zglinicki

"Der Vorstand des Unternehmens hat seit zwei Jahren immer wieder erklärt, es werde niemand mehr zu den Bedingungen des gültigen Entgelttarifvertrags übernommen"