Sie wollen berufliche Perspektiven

Die Qualität der Arbeit nach Punkten. Alle Beschäftigten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung(angaben in Prozent)

Die Umstrukturierungen bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) haben in den letzten Jahren viele Beschäftigte an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht. Insgesamt büßte die Verwaltung seit 1993 jede dritte Stelle ein. Durch Streiks und politische Einflussnahme konnte ver.di zwar weiteren Personalabbau stoppen und 2.500 Stellen mehr erhalten als abge- baut werden sollten, sodass es jetzt noch 12.000 Arbeitsplätze sind. Doch die Beschäftigten müssen mehr leisten, viele fühlen sich überlastet. Sie fragen sich, wie es weitergeht, denn die Reform der Verwaltung ist noch nicht abgeschlossen. Um die Beschäftigten dabei zu unterstützen, hat ver.di sie mit dem Index-Verfahren für Gute Arbeit befragt.

An der repräsentativen Befragung haben 3.400 Mitarbeiter/innen teilgenommen, das sind mehr als ein Drittel. Das Ergebnis zeigt sehr belastende Arbeits- bedingungen in den Ämtern und Dienststellen, quer durch alle Berufe. Am meisten belastet fühlen sich die Beschäftigten im Handwerk und beim Schiffspersonal. Sie bewerten ihre Situation schlechter als der Durchschnitt der Befragten. Dabei kommen alle Beschäftigten der WSV im Schnitt nur auf 51 Indexpunkte. Dieser Wert liegt im unteren Mittelfeld, knapp vor schlechter Arbeit.

Ohne berufliche Perspektive

Fast jeder zweite Beschäftigte bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung spricht von starken und sehr starken Belastungen. Die Arbeit ist anstrengender geworden, weil immer mehr zu tun ist. Vielen macht zu schaffen, dass es an beruflichen Perspektiven fehlt; dass sie nicht wissen, wie es für sie weitergeht; dass es keine Zusage gibt, Auszubildende zu übernehmen. Nur 58 Prozent der Beschäftigten gehen davon aus, ihre Tätigkeit bis zum Rentenalter ausüben zu können.

Zwei von drei Beschäftigten hätten Verbesserungsvorschläge für die Arbeitsprozesse - und dieses Potenzial sollten die Arbeitgeber nutzen, sagt Antje Schumacher-Bergelin, Leiterin der ver.di-Bundesfachgruppe Bundesverkehrs- und Straßenbauverwaltung.

Die Sorge, arbeitslos zu werden, konnte ver.di den Beschäftigten aber vorerst nehmen. So hat die Gewerkschaft nach mehreren Streiks im Jahr 2014 eine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers durchgesetzt, an der die Bundesministerien für Finanzen, Verkehr und Inneres beteiligt sind. Aufgrund dieser Verpflichtung sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, genauso wie Versetzungen ohne die Zustimmung der Beschäftigten. Auch ihr Entgelt ist gesichert. Dieser Schutz wird in jeden Arbeitsvertrag übernommen und kann individuell mit Unterstützung von ver.di eingeklagt werden.

Die Reform aber geht weiter: Neue Reviergrenzen werden gezogen, 39 Ämter zu 18 zusammengelegt, die Wasserstraßen neu kategorisiert. Bestimmt wird auch, welche Ämter künftig nicht mehr besetzt werden. Dadurch wissen die Beschäftigten zurzeit nicht, wo sie künftig arbeiten werden. Auch das Problem des wegen der Stellenstreichungen gestiegenen Arbeitsaufkommens besteht weiter.

Beteiligung an Reformprozessen

ver.di wird in Dienststellen und Ämtern Workshops anbieten, um die Befragung auszuwerten und das weitere Vorgehen zu planen. Die Beschäftigten fordern, an den Reformprozessen beteiligt zu werden. "Hier sind besonders die Chefs der Generaldirektion der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in der Verantwortung", sagt Schumacher-Bergelin. Aber auch das Verkehrsministerium müsse handeln. ver.di werde auf politischer Ebene darauf drängen, dass die Reform vorangeht. "Wir fordern das Verkehrsministerium auf, die Aufgabenverteilung und Personalausstattung endlich voranzubringen und Entscheidungen über die künftige Struktur und die Aufgaben zu treffen."

Marion Lühring