1.000 neue ver.di-Mitglieder an drei Flughäfen in NRW. In nur zweieinhalb Jahren

In der Sicherheitsbranche wird oft nachts und im Verborgenen gearbeitet, der vereinzelte Arbeitsplatz ist für die Beschäftigten häufig die Regel - und ein niedriger Lohn auch. Flughäfen sind in dieser Hinsicht untypisch: Hier arbeiten viele Beschäftigte im Sicherheitsdienst gleichzeitig zusammen. Eine gute Voraussetzung für gewerkschaftliche Basisarbeit. Ein "Paradebeispiel dafür, wie man in kurzer Zeit einen Betrieb mobilisieren kann", nennen Andrea Becker und Karsten Braun von ver.di Nordrhein-Westfalen ihre Erfahrungen an den Flughäfen denn auch.

Vor vier Jahren noch unter zehn Euro

Unter zehn Euro lagen die Löhne der Beschäftigten, die nach den Paragrafen 5 und 8 des Luftsicherheitsgesetzes eingestellt waren, auf den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn noch vor vier Jahren. ver.di galt nicht als energische Interessenvertreterin, hatte nicht viele Mitglieder. Nach den beiden Paragrafen arbeiten die Beschäftigten zwar unter einem Dach, aber für verschiedene Arbeitgeber der Sicherheitswirtschaft und zu sehr verschiedenen Löhnen - trotz gleicher Arbeit. Die klafften damals um mehr als drei Euro auseinander. Für den damaligen Düsseldorfer Betriebsrat Andreas Rech und ver.di-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim war das der Ansatzpunkt für ihre Forderung "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" in der Tarifrunde 2011. Die Arbeitgeber forderten im Gegensatz dazu 15 Stunden Anwesenheitspflicht bei vier Stunden unbezahlter (!) Pause und ständiger Verfügbarkeit. Mit dieser Regelung hätten die Arbeitgeber Arbeitskräfte eingespart; die Folge wäre ein Personalabbau zwischen 25 und 30 Prozent gewesen.

Die kühne Forderung: 16 Euro für alle

Die Stimmung in der Belegschaft erreichte daraufhin den Siedepunkt. Mutige ver.di-Basisarbeit brachte die Wende: Die ver.di-Tarifkommission forderte kühn "16 Euro für alle". Das mobilisierte die Belegschaft. Doch 16 Euro für alle, das hieß: mehr als 30 Prozent Lohnerhöhung. Diese Zahl machte es den Arbeitgebern leicht, die Forderung als utopisch abzutun. Aber ver.di hielt dagegen: 30 Prozent, ja, aber eben von den niedrigen Löhnen aus gerechnet. "Das haben auch Journalisten und Fluggäste verstanden", sagt Özay Tarim im Rückblick. Andrea Becker, Leiterin des Fachbereichs Besondere Dienstleistungen in NRW, ergänzt: "Die Belegschaften merkten: ver.di setzt sich für uns ein. Endlich raus aus dem Niedriglohn - das hat gezündet."

Erste spontane Streiks überrollten die Arbeitgeber 2012. Eine Welle von erfolgreichen Arbeitsgerichtsprozessen stärkte das Ansehen von ver.di in der Belegschaft zusätzlich. In 300 Fällen mussten Teilzeit- in Vollzeitverträge umgewandelt werden. In der Folge stiegen die Mitgliederzahlen. Das Selbstbewusstsein von Belegschaften und Betriebsräten wuchs.

Andreas Rech erinnert sich: "Typisch für damals war die folgende Situation: Ein Arbeitgebervertreter fragte uns völlig entgeistert, wie wir denn dazu kämen, eine solch utopische Forderung aufzustellen." Rechs Antwort darauf hieß: "Weil wir es können. Und weil wir es wert sind." Das habe den Arbeit- gebervertreter sprachlos gemacht, erinnert sich der Gewerkschafter. Die Arbeitgeberforderung nach 15-stündiger Anwesenheitspflicht hatte keine Chance mehr.

Der Lohn für den beharrlichen Einsatz

Und die ver.di-Forderung? Erwies sich als gar nicht so utopisch. Die Tarifrunde 2013 brachte schließlich prozentuale Lohnerhöhungen zwischen knapp 19 und knapp 23 Prozent. Die folgende Tarifrunde in 2015 folgte mit einem weiteren kräftigen Plus zwischen achteinhalb und fast zwölf Prozent. Und zum 1. Januar 2016 werden die 16 Euro immerhin für alle Beschäftigten, die nach dem Paragrafen 5 angestellt sind, erreicht sein.

Die Mitgliederentwicklung an den nordrhein-westfälischen Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn und Weeze ist der Lohn für den beharrlichen Einsatz der Aktiven. Rund 1.000 neue ver.di-Mitglieder in nur zweieinhalb Jahren. Ohne die enge Verbindung zwischen Vertrauensleuten, Betriebsräten und Gewerkschaft wäre die Wende nicht möglich gewesen - darin sind sich alle im ver.di-Fachbereich in Nordrhein-Westfalen einig.

Die Reaktion der Arbeitgeber: Spaltung

Doch die stabile ver.di-Basis in Nordrhein-Westfalen ist den Arbeitgebern ein Ärgernis. Im Mai 2015 hat ihr Bundesverband der Sicherheitswirtschaft einen Unterverband "Fachverband Aviation im BDSW" gegründet und der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen die Verhandlungsvollmacht entzogen. Das Motiv ist klar: Ein "Überschwappen" des Erfolgs in die ganze Sicherheitsbranche und zwar auch dahin, wo die vielen vereinzelten Beschäftigten von ver.di nur schwer erreicht werden können, soll verhindert werden.

Aber das überrascht das ver.di-Team in Nordrhein-Westfalen nicht: "Mit der Website wasi-nrw.de können wir die Kolleginnen und Kollegen schon jetzt erreichen", sagen die Aktiven. "Und die endgültige Beseitigung der immer noch vorhandenen Lohndifferenz zwischen den beiden Beschäftigtengruppen am Flughafen bleibt die bestehende Herausforderung für die nächsten Lohnrunden."

www.wasi-nrw.de: Das Netzwerk für Sicherheitsbeschäftigte in NRW