Sicherheitsleute arbeiten oft allein

Von Birgit Tragsdorf

Sie hätten die Gewinner sein können: Bei knapp über fünf Euro lag der Stundenlohn der Wach- und Sicherheitsbeschäftigten vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro die Stunde Anfang dieses Jahres. Über drei Euro mehr in der Stunde - das hätte sich in jeder Geldbörse deutlich bemerkbar gemacht. Aber wenn der Lohn steigen muss, kann man ja bei den Zuschlägen streichen. Das jedenfalls haben sich der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft e.V. (BDSW) und die christliche Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) gedacht und kurzerhand einen entsprechenden Tarifvertrag abgeschlossen.

So geht's nicht

Seine Nachteile beschreibt der zuständige Gewerkschaftssekretär im ver.di-Bezirk, Benedikt Hanisch, so: "Abschaffung der Feiertags- und Sonntagszuschläge, die Nachtzuschläge bewegen sich an der gesetzlichen Grenze von fünf Prozent, hinzu kommt eine empfindliche und schwer nachvollziehbare Reduzierung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und für den Urlaub." Dennoch: Das sächsische Wirtschaftsministerium hat diesen Tarifvertrag gegen die Stimmen der DGB-Gewerkschaften für allgemeingültig erklärt.

Aus diesem Grund haben sich unter dem Dach des ver.di-Fachbereichs Besondere Dienstleistungen im Bezirk Dresden/Ostsachsen Betriebsräte und ver.di-Mitglieder aus den Wach- und Sicherheitsdiensten zu einem Arbeitskreis zusammengetan. Sie wollen diesen Flächentarifvertrag wieder abschaffen, weil sich ihre Einkommensverhältnisse sogar noch verschlechtert haben. Jedoch schätzen die Aktiven unter ihnen ihre Chancen gegenüber GÖD und den Arbeitgebern derzeit als gering ein. Damit ver.di den BDSW zu Verhandlungen auffordern kann, braucht sie den Rückhalt in der Belegschaft. Das heißt: Mehr als 30 Prozent ver.di-Mitglieder.

"Wir müssen in die Wachdienste gehen und Mitglieder werben." Uwe Ziermann, Security-Mann in der Rezeption des Dresdner Rathauses, engagiert sich und weiß, wie schwer das ist. Die Arbeitsplätze sind vereinzelt, und die Neigung der Kollegen ist groß, Auseinandersetzungen um angemessene Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und notwendigen Weiterbildungen eher aus dem Weg zu gehen.

Personal ist kaum zu finden

Auch die Arbeitsbedingungen der Wachleute sind ein Problem. Laut Sven Leuthold, freigestellter Betriebsrat bei Dussmann, geht die Qualität in der Branche den Bach runter. "Es fehlen gute Aus- und Weiterbildung." Die Anforderungen steigen, es gibt zunehmend sensible Objekte, in denen die Kollegen meist allein unterwegs sind. Auch die Anzahl der zu bewachenden Einrichtungen wächst, gutes Personal ist inzwischen aber schwer zu finden. Auch Fehlverhalten von Security-Leuten ist ein Thema, wie etwa die Übergriffe gegen Asylbewerber im Erstaufnahmelager in Dresden im Oktober. Der gewalttätige Wachmann gehörte einem Subunternehmen an. Der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth sagte gegenüber der Sächsischen Zeitung: "Momentan ist der Markt für seriöses Sicherheitspersonal so leer gefegt, dass es nicht einmal mehr Ausschreibungen gibt." Und so kämen zunehmend auch windige Firmen an Aufträge.

Dies kritisieren auch die ver.di-Kollegen. Durch die Vergaberichtlinien im öffentlichen Dienst werden die billigsten Anbieter bevorzugt. So bleibt der Wach- und Sicherheitsdienst im Niedriglohnsektor, und der Kostendruck führt dann zu solchen Tarifverträgen wie dem mit der GÖD.

Aber das lässt sich ändern: Erst einmal müssen die Beschäftigten gründlich informiert und mobilisiert werden. Gemeinsam mit Gewerkschaftssekretär Benedikt Hanisch setzen die Kolleg/innen Schwerpunkte: "Die Lösung ist einfach und schwierig zugleich. Einfach: Ein Tarifvertrag mit ver.di muss her. Schwierig: Den Arbeitgeber dazu zu bringen, wieder in Verhandlungen zu gehen. Dazu braucht es mehr ver.di-Mitglieder als bisher, die sich stark machen und die Sache selbst in die Hand nehmen."