Ihr Romandebüt Angst vorm Fliegen machte Erica Jong in den 70er Jahren weltberühmt. Offen, witzig und selbstironisch erzählt eine junge Frau von Sex und Erotik, von der Lust auf Abenteuer und Selbstverwirklichung - und auch, wie grandios man dabei scheitern kann. Ein Tabubruch, der schockierte und Millionen Leser/innen faszinierte. Vor Tabus schreckt Jong - mittlerweile 73 - immer noch nicht zurück. In ihrem aktuellen Roman spielt nicht nur der Tod, sondern auch das Thema Sex im Alter eine zentrale Rolle.

Die New Yorkerin Vanessa ist Anfang 60, attraktiv, klug und lebenserfahren. Plötzlich wird sie konfrontiert mit Krankheit und Todesnähe. Ihre Angst bezieht sich vor allem auf das Sterben der anderen. Sie begleitet ihre Eltern auf einem langen schmerzlichen Weg, ihr deutlich älterer Mann gerät in eine bedrohliche Krise, die er gerade so übersteht. Und ja, dann stirbt auch noch der Hund. Vanessa graust es vor den immer einsamer machenden Verlusten und der markerschütternden Erkenntnis, dass mit jedem Tod ein "absolut einzigartiges Du" verlischt, unwiederbringlich, unersetzlich. Um das Entsetzen zu kompensieren, stürzt sie sich ins Leben und sucht erotische Affairen. Das geht gründlich schief, führt zu absurden und nicht ganz ungefährlichen Begegnungen, gibt aber jede Menge Stoff ab für Gespräche mit Freundin Isadora - ganz nebenbei die Heldin aus Jongs erstem Roman.

Nach und nach erkennt Vanessa, dass ihre Sehnsucht nach Lebendigkeit nicht durch oberflächliche Kontakte, sondern nur durch wahre Verbundenheit erfüllt werden kann. Dieses Buch ist von Tragik und Komik gleichermaßen geprägt. Eine Konstellation, die das Furchtbare erträglich macht und dem Grotesken einen tieferen Sinn gibt. Ein reifes Alterswerk voller menschlicher Einsichten, trotz aller Gedankenschwere federleicht, und hoffentlich nicht das letzte dieser wunderbaren Autorin. Tina Spessert

Erica Jong: Angst vorm Sterben. S. Fischer, Ü: Tanja Handels, 366 S., 19,99 €