30 Prozent der Bundesbürger/innen haben kein Vermögen

Auch in Deutschland wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Vor allem die Altersarmut drängt mehr und mehr Menschen an den Rand der Gesellhaft (siehe Interview). Oft bis nah an den sozialen Abstieg. Sozialverbände und der DGB haben alarmierende Zahlen vorgelegt und fordern eine gerechtere Verteilung. "Man ist in diesem reichen Land nicht erst dann arm, wenn man unter Brücken schlafen oder Pfandflaschen sammeln muss", warnte Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, bei der Präsentation des Armutsberichts 2016.

Bremen weiter mit höchstem Risiko

Bremen bleibt das Bundesland mit dem höchsten Armutsrisiko in Deutschland. Dort sank 2014 die Armutsquote zwar erstmals seit 2009 um 0,5 auf 24,1 Prozent. Dennoch ist der Abstand zwischen der Hansestadt als Spitzenreiter und dem reichen Baden-Württemberg mit 11,4 Prozent extrem. Niedersachsen liegt mit einer Quote von 15,8 Prozent leicht über dem Bundesdurchschnitt von 15,4 Prozent und belegt in der Länderstatistik Platz zehn. Insgesamt sind 1,2 Millionen Niedersachsen armutsgefährdet.

Hinter diesen Zahlen verbergen sich bittere Einzelschicksale: So kann mancher Fliesenleger bei seiner niedrigen Rente nicht mehr ohne Lebensmittel von der "Tafel" leben. Jugendliche aus armutsgeprägten Wohnvierteln haben kaum Chancen auf ein auskömmliches Leben, so der Armutsbericht 2016. Die Darmstädter Soziologin Cornelia Koppetsch, die auf Ungleichheitsforschung spezialisiert ist, beschrieb den Fall eines Elektrikers, der seinen Job verliert und eine Fortbildung zum Fachinformatiker absolviert. Eine feste Stelle bekommt er nicht. Seine Frau arbeitet im Supermarkt, wird aber krank. Die Raten für ihr Haus können sie nicht mehr bezahlen. Um Hartz IV zu bekommen, müssen sie jedoch erst ihr Vermögen und ihre Altersversorgung aufbrauchen - Deutschland im Jahr 2016.

Dagegen besitzen laut DGB zehn Prozent der Deutschen fast 60 Prozent des gesamten Netto-Vermögens. Dem reichsten einen Prozent gehört ein Drittel, während etwa 30 Prozent der Bundesbürger/innen unterm Strich überhaupt kein Vermögen haben oder gar Schulden. Die Ungleichheit bei den Einkommen lag laut DGB 2014 so hoch wie nie zuvor. So verdiente der Vorstand eines Dax-Unternehmens im Schnitt 107 Mal so viel wie ein Normalverdiener. Anders ausgedrückt: Für ein Jahresgehalt des Vorstands hätte der Durchschnittsverdiener 107 Jahre arbeiten müssen. "Diese Schieflage ist nicht nur sozial ungerecht, sondern schadet der gesamten Wirtschaft", sagt DGB-Vorstand Stefan Körzell. Nach der neuesten Oxfam-Studie ist es weltweit noch dramatischer: Danach besitzen die reichsten 62 Menschen der Erde 1,76 Billionen Dollar - ebenso viel wie die ärmere Hälfte des Planeten mit 3,5 Milliarden Menschen.

Die Niedriglöhne zurückdrängen

Gemeinsam mit dem DGB fordert ver.di-Landesleiter Detlef Ahting: "Wir brauchen dringend wieder eine Vermögenssteuer, eine wirkungsvolle Erbschaftssteuer und eine höhere Einkommenssteuer für Reiche und Super-Reiche." Der Niedriglohnsektor müsse zurückgedrängt werden. "Die Menschen müssen wieder von ihren Einkommen und ihren Renten leben können."