Die auch im Regen aufstehen

Viele bunte Regenschirme. Die Kundgebung zum Auftakt der Menschenkette

Eigentlich war das alles ein ziemlicher Zufall. Coincidence halt. Da gab es, seit langem für Festliches vorgesehen, diesen "Stadtgründungstag" in der Landeshauptstadt. Der erste war 1158, nachdem Herzog Heinrich der Löwe dem damaligen Bischof von Freising die Mautbrücke hatte abbrennen und die einträglichen Salztransporte gewaltsam in eines seiner Einkommensgebiete, das damalige Munichen, hatte umleiten lassen.

1958 wurde die urkundlich belegte München-Gründung erstmals mit einer 800-Jahrfeier, einem großen Festzug und auch sonst allerlei Schönem begangen. Immer wieder fanden sich seither Anlässe, an diese Tradition anzuknüpfen und sich kommunalpolitisch, kulturell, ökonomisch und sonstwie dazu etwas einfallen zu lassen.

Als Highlight solcher Feierlichkeiten galt und gilt in jüngster Zeit bundesweit vielerorts die Aufhebung der an Sonn- und Feiertagen meist noch vorgeschriebenen Ladenöffnungszeiten. Weil Feiern ja ganz schön sein mag, es aber ohne nebenbei Shoppen für manche dann doch nur das halbe Vergnügen sei.

Bei der Demonstration gegen das "Integrationsgesetz" dabei: direkt Betroffene

Derlei hatte der Gewerkschaft ver.di von Anfang an nicht gefallen. Die Kirchen wollten es auch nicht und beharrten auf einem arbeitsfreien Sonntag. Wer meint, hier gehe es um eine späte Rache für Freising, sieht das etwas eng. Die Gegner der Sonntags-Ladenöffnungen jedenfalls zogen 2015 vor Gericht und konnten tatsächlich - kurz vor dem diesjährigen Stadtgründungstag - die für 2016 wieder vorgesehene Öffnung per Gerichtsbeschluss kippen.

Das darauf folgende empörte Zähneknirschen aus den Führungsetagen der Innenstadt-Kaufhaus-Konzerne wurde auch in manchen Medien, bei denen auf etwas mehr Objektivität zu hoffen gewesen wäre, wohlwollend lautstark wiedergegeben. Ausdrücklich soll hier aber auch auf erfreuliche Ausnahmen hingewiesen werden, die noch einzuordnen wissen, dass Feiern und Shoppen nicht unbedingt eine Einheit bilden.

Begegnungen mit Folgen

Damit zurück zum Zufall. Keiner der an den vorhergehenden Auseinandersetzungen Beteiligten hatte voraussehen können, dass der zweite und entscheidende Tag der Stadtgründungs-Feierlichkeiten, jener vor Gericht ausgestrittene Sonntag, durch Dauerregen überflutet werden würde. Diejenigen aus Gewerkschaftskreisen und andere gesellschaftlich kritische Menschen, die sich jenen Sonntag im Juni ausgesucht hatten, um ihre Proteste gegen das von der Bayerischen Staatsregierung geplante "Integrationsgesetz" an die Öffentlichkeit zu bringen und daran anschließend mit einer Menschenkette "Hand in Hand gegen Rassismus - für Menschenrechte und Vielfalt" zu demonstrieren, hatten ebenfalls nicht unmittelbar die Stadtgründungs-Feierlichkeiten mit im Visier.

Und dann waren, am Tag, als der Regen kam, plötzlich ein paar Tausend Leute mehr unterwegs im Zentrum Münchens, als sie sich sonst unter solchen Bedingungen zusammengefunden hätten. Unter ihnen eiserne Gründungsfest-Afficionados (denen ja bereits am Samstag davor, noch bei Sonnenschein, manch Interessantes geboten worden war). Es gab, nach der Kundgebung vor dem Gewerkschaftshaus, die Demonstrantinnen und Demonstranten gegen das von der Regierung geplante "Ausgrenzungsgesetz". Die reihten sich anschließend am Stachus in eine große Kundgebung und die darauf folgende antirassistische Menschenkette ein. Und es gab viele Einheimische und Auswärtige, die mit großem Interesse all die "Events" im Regen verfolgten oder gar dabei mitmachten.

In vielen Medien beliebt waren anschließend Kundgebungsbilder, auf denen eine Vielfalt von Schirmen von oben zu sehen war mit dem Hinweis, dass "München bunt" sei. Und Recht hatten sie - echt wahr!