Ausgabe 05/2016
Weil sie einfach dreist waren!
Fette Beats, Sprühkreide und ein Tourbus - die Tarifkampagne 2016 der ver.di Jugend hat's voll gebracht und bringt's noch immer
Von Stefan Zimmer
"Das ist für uns nicht darstellbar", hatte der Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, noch im Februar zu den Forderungen der ver.di Jugend in der Tarifrunde im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen gesagt. Sie seien unangemessen und überzogen, begründeten der VKA und das Innenministerium ihre starre Blockadehaltung. Doch tausende Auszubildende und junge Beschäftigte ließen sich von diesen ritualisierten Abwehrfloskeln nicht einschüchtern und wurden unbequem.
Bei Warnstreik-Aktionen von Hamburg bis München, von Aachen bis Dresden war die ver.di Jugend immer vorne mit dabei. Die Kampagne #besserunbequem prägte das Bild der Tarifrunde. Ein Tourbus der ver.di Jugend legte über 6.000 Kilometer zurück. Auf seiner Reise quer durch die ganze Republik war er mal mobiles Streiklokal, mal der "Lautiwagen" oder die fette Aktionsbasis. Mit unzähligen bunten Aktionen hat die ver.di Jugend Zeichen gesetzt und viele Neue mitgerissen. Am Tarifglücksrad konnten Interessierte sehen, wie ihr Ausbildungs- und Berufsleben ohne Tarif aussehen würde. Mit Sprühkreide und Zebrastreifen aus Tapete wurden die Forderungen auf den Boden gesprüht. Ein Tariflabyrinth wurde aufgebaut, ver.di-Jugendliche ließen sich für ihre Forderungen abklatschen und machten mit fetten Beats ordentlich Alarm, wo immer der Tourbus hinkam.
Zum Auftakt der dritten Verhandlungsrunde kam der Bus Ende April schließlich in Potsdam an. Dort demonstrierten 300 ver.di Jugendliche aus Nordrhein-Westfalen, Lübeck, Hannover, Berlin und Potsdam vom Stadtzentrum bis zum Verhandlungshotel am Templiner See. Sie begrüßten den ver.di-Verhandlungsführer Frank Bsirske und stärkten ihm lautstark den Rücken. Kurze Zeit später trafen auch die Vertreter der Arbeitgeberseite ein. Mit selbstgemalten Transparenten, Kampagnenfahnen, Vuvuzelas und Wut im Bauch machten die Jugendlichen ihnen noch einmal deutlich klar: Wir meinen es ernst und können noch viel unbequemer werden.
Das haben sie gleich im Anschluss auch mit einer wagemutigen Aktion auf dem Templiner See unter Beweis gestellt. Ein Holzfloß kam stellvertretend für den öffentlichen Dienst vor den Anleger des Hotels gefahren. Dort angekommen, sprangen sieben tapfere ver.di-Jugendliche bei nur acht Grad in das kalte Wasser und machten so sichtbar: Der Nachwuchs geht baden, wenn sich hier nicht bald einiges ändert.
"Das bleibt unser Rezept"
Tatsächlich hat es gelohnt, sich unbequem zu zeigen. Auszubildende haben jetzt 29 Tage Urlaub pro Jahr und erhalten mit insgesamt 65 Euro deutlich mehr Geld als bislang. Erstmals gibt es Zuschüsse von 50 Euro für Ausbildungsmittel, die Übernahme von Unterkunftskosten an den Berufsschulen, und die bisherige unbefristete Übernahmeregelung wurde eben- falls verlängert. Damit haben Auszubildende im öffentlichen Dienst nach ihrem Abschluss auch weiterhin eine Zukunftsperspektive und können so wichtige Berufserfahrung sammeln.
"Die Einigung ist vor allem für die Auszubildenden ein richtig gutes Ergebnis", sagt André Zeitler, Vorsitzender der ver.di Jugend: "Wir haben zahlreiche Verbesserungen für die Jugend herausgeholt. Die Arbeitgeber wollten uns um unseren Teil vom Kuchen bringen, aber wir waren einfach unbequem. Das hat sich gelohnt und bleibt unser Rezept in den weiteren Tarifrunden in diesem Jahr."
Der Beat-Link zum Kampagnensong JANINE DEAN FEAT. MO SAYED - BESSER UNBEQUEM [Offizielles Video]: