Die Tarifrunde hat begonnen. Die Forderung: 5 Prozent mehr Lohn

ver.di fordert für die rund 100.000 Beschäftigten der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie 5 Prozent mehr Geld für zwölf Monate. Das hat die ver.di-Tarifkommission am 22. September beschlossen. Es folgte der übliche Aufschrei der Arbeitgebervertreter. ver.di gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe in der Fläche, teilte der Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) mit. Die Forderung sei zu hoch, ver.di verkenne die Situation der Branche und habe in anderen Branchen doch durchaus vertretbare Abschlüsse unterzeichnet. Dabei verglich der Arbeitgeberband die Abschlüsse für die Druckindustrie, die Tageszeitungsredaktionen und die Banken mit der ver.di-Forderung. Bei diesem gewagten Manöver unterblieb aber der Hinweis darauf, dass diese Branchen nicht mit der eigenen vergleichbar sind und die Einkommen dort auch deutlich höher liegen.

In einem Flugblatt mit dem Titel "Plus 12,4 Prozent seit 2012: Das ist ein sattes Lohnplus!" hatte der HPV die Lohnabschlüsse der vergangenen Jahre gelobt. Das bewertet auch Heinrich Hartmann so, der Betriebsratsvorsitzende der Marburger Tapetenfabrik und Mitglied der ver.di-Verhandlungskommission: "Die Arbeitgeber haben selbst gesehen, dass es die Konjunktur belebt, wenn es vernünftige Abschlüsse gibt." Schließlich werde ein gutes Weihnachtsgeschäft erwartet. Nun dürften sich die Hardliner bei den Arbeitgebern nicht durchsetzen. "Wenn sie Planungssicherheit auch für das Frühjahrsgeschäft haben wollen, sollten sie die beiden schon feststehenden Verhandlungstermine nutzen. Wir wollen für ehrliche Arbeit auch gutes Geld erhalten, wir wollen nicht abgekoppelt werden."

Fachkräfte am Werk

Würden die Beschäftigten von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt, wäre das auch ein Problem für die Arbeitgeber. Sie stehen in Konkurrenz zu anderen Branchen, wenn sie gute Fachleute und Nachwuchskräfte gewinnen wollen. "In der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie sind viele Fachkräfte tätig, zum Beispiel Maschinenschlosser, die auch in anderen Branchen arbeiten können", stellt Andreas Fröhlich fest, der ver.di-Bereichsleiter für Tarifpolitik. Dabei fällt die Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie gegenüber anderen Industriebranchen bei den Einkommen bisher ab. So liege beispielsweise der zur Orientierung dienende "Facharbeiterecklohn" in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg bei 19,39 Euro pro Stunde, sagt Fröhlich. In der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie beträgt er für die westlichen Bundesländer zurzeit dagegen 16,21 Euro. Auch die Ausbildungsvergütungen sind im Vergleich zur Metall- und Elektroindustrie niedriger. Doch mit den Auszubildenden werden die Fachkräfte von morgen gewonnen.

Fast schon dreist ist der Vergleich des Arbeitgeberverbands HPV mit einem Haustarifvertrag in der Verpackungsindustrie. Hier handelt es sich um einen Betrieb, der bisher überhaupt keiner Tarifbindung unterliegt, den ver.di erst mühsam durch Einzelverhandlungen an die Tarifhöhe heranführen will und muss. Und das ist kein Einzelfall; viele Unternehmen profitieren in Konkurrenz zu tarifgebundenen Firmen von Lohndrückerei und niedrigeren Kosten.

Um zu einem fairen Wettbewerb zu kommen und die Tarifverträge für die Beschäftigten zu sichern, hatte ver.di dem Arbeitgeberverband angeboten, dass die Tarifverträge allgemeinverbindlich werden. Dazu hätten Gewerkschaft und Arbeitgeberverband gemeinsam einen Antrag beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellen müssen. Die Arbeitgeber winkten ab, der ver.di- Vorschlag wurde vom HPV abgelehnt.

Der Auftakt für die Tarifverhandlungen fand nach Redaktionsschluss am 4. November statt. Am 25. November soll weiterverhandelt werden. Silke Leuckfeld

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