Ausgabe 07/2016
Ein schäbiges erstes Angebot
Drei volle Jahre liegen die Positionen momentan auseinander: Die Gewerkschaften fordern für den nächsten Tarifvertrag in der Leiharbeit die Angleichung der West- und Ostentgelte - in einer Laufzeit von zwölf Monaten. Doch die Arbeitgeber wollen das noch auf volle vier Jahre strecken. Und das war nicht der einzige Dissens zum Verhandlungsauftakt am 7. Oktober: Nur um 2 Prozent sollen die Entgelte nach der Vorstellung der Arbeitgeber steigen, erstmals Mitte 2017 und dann in Jahresschritten. "Das ist nicht annehmbar", sagt die DGB-Tarifgemeinschaft dazu.
Als "Beleidigung" für all seine Kolleginnen und Kollegen in der Leiharbeit empfindet der Randstad-Betriebsrat Hans Zajdzuik das Angebot. Er ist Mitglied der Tarifkommission, seit es mit ver.di bundesweite Verhandlungen zur Leiharbeit gibt. Etwa eine Million Menschen sind inzwischen bei Leiharbeitsfirmen beschäftigt - ein Höchststand. Die meisten Leiharbeitnehmer/innen arbeiten in der Metall- und Elektroindustrie oder auf dem Bau, aber auch in den ver.di-Branchen, im Gesundheits- und Pflegebereich, im Verkehr oder Handel, selbst in öffentlichen Verwaltungen. 65 Prozent aller Leiharbeitnehmer/innen bleiben mit ihrem Gehalt unter der Niedriglohnschwelle.
Die Leiharbeiter/innen werden befragt
Zum Juni 2013 gab es für sie die letzte Tariferhöhung. Die Stundenlöhne der untersten Entgeltgruppen stiegen damals von 8,80 auf 9 Euro in den westlichen und von 8,20 auf 8,50 Euro in den östlichen Bundesländern. So war es beim Tarifabschluss 2013 vereinbart worden. Da war der gesetzliche Mindestlohn noch nicht erreicht. Dass künftig ein deutlicher Abstand zum Mindestlohn durchgesetzt wird, dafür treten die Gewerkschaften in der aktuellen Entgelttarifrunde an. Denn dafür haben sich Leiharbeitsbeschäftigte im Sommer bei einer Befragung der DGB-Gewerkschaften eindeutig ausgesprochen. Auch dafür, dass die Löhne in den unteren Entgeltgruppen stärker erhöht werden sollen, votierten über 90 Prozent.
26 Jahre nach der deutschen Einheit befürworteten auch mehr als 83 Prozent der Befragten das gleiche Lohnniveau in Ost und West.
All das wurde direkt in Forderungen umgesetzt: Die DGB-Tarifgemeinschaft, zu der auch ver.di gehört, will die Ost-West-Angleichung in allen Entgeltgruppen durchsetzen. Gefordert wird die Erhöhung der Entgelte um 6 Prozent, mindestens aber 70 Cent mehr pro Stunde. Das würde sich besonders für die Beschäftigten in den unteren Lohngruppen auswirken. Der Befragung gemäß soll der neue Tarifvertrag nur ein Jahr laufen. "Daran fühlen wir uns gebunden", sagt auch Carla Dietrich, die ver.di-Verhandlungsführerin. "Unsere fundierten Forderungen lagen seit Mitte September vor. Dennoch wollten die Arbeitgeber sie zu Verhandlungsbeginn nochmals begründet haben. Und dann kamen sie mit dem völlig inakzeptablen Angebot." Überhaupt vermutet die Gewerkschafterin, dass die Gegenseite - Vertreter der Leih-Arbeitgeberverbände BAP und iGZ - versucht, auf Zeit zu spielen. Dabei sei die Ost-West-Angleichung doch schon im Jahr 2013 für die nächste Tarifrunde vereinbart gewesen.
Aktuell werden der Entgelt- und der Entgeltrahmentarifvertrag verhandelt. Darüber hinaus gelten in der Leiharbeit Manteltarifverträge und ein Mindestlohn-Tarifvertrag. Mancherorts - zum Beispiel in der Papierverarbeitung - wurden zusätzlich Branchenzuschlagstarife ausgehandelt, die eine schnellere Lohnangleichung der Leiharbeiter an die Stammbelegschaft sichern. Doch die Situation bleibt schwierig. Immer wieder wird die Frage gestellt, ob Leih- und Stammbeschäftigte nicht eher gleichgestellt würden, wenn die Gewerkschaften keine Tarifverträge zur Leiharbeit abschließen und nur auf das gesetzlich verankerte Prinzip des "Equal Pay" setzen würden. Das ist jedoch nicht leicht durchzusetzen und gilt auch weder in der verleihfreien Zeit noch für entsandte Arbeitnehmer/innen aus dem Ausland. Außerdem hätten die Gewerkschaften dann keinerlei Gestaltungsspielraum, etwa bei der Höchstüberlassungsdauer oder Fristen.
Deshalb hat sich ver.di als Teil der DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit entschlossen, in der jetzigen Tarifrunde einen "guten Tarifvertrag mit höheren Entgelten durchzusetzen". Das "wird zwar hart, ist aber unausweichlich", sagt Hans Zajdziuk von Randstad. Im November stehen zwei weitere Verhandlungstermine an.