Eine Studie aus Niedersachsen zeigt an Fallbeispielen aus sechs Branchen, wie die Digitalisierung die Arbeit umkrempelt - und wie es besser ginge

Nachfolger der Dampfmaschine

Hannover - Einkaufen per Smartphone, Zeitung lesen auf dem Tablet, selbstfahrende Lastwagen und Roboter, die Patienten heben - noch vor wenigen Jahren wäre all das undenkbar gewesen. Inzwischen kommen täglich neue Erfindungen hinzu. Viele Arbeitsplätze sind schon umgekrempelt oder stark von der Digitalisierung betroffen, etwa in der Medienbranche oder im Handel. Arbeit 4.0 nennt sich die Entwicklung und stellt nach der Dampfmaschine, der Fließbandarbeit und der Automatisierung erneut die Arbeitswelt auf den Kopf. Und wie schon zuvor wird auch diese Stufe nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch die Gesellschaft verändern, wenn bisherige Arbeitsplätze verschwinden und neue entstehen. Wie sich die Arbeit 4.0 auf die Dienstleistungsbranche auswirkt, ist Thema einer Studie von ver.di in Niedersachsen.

Digitalisierung positiv nutzen

Arbeit 4.0 basiert zwar auf technologischen Entwicklungen, doch getrieben ist die Digitalisierung wie immer von betriebswirtschaftlichen Zielen der Unternehmen. Ihnen geht es um Kostenersparnis und Rationalisierung. ver.di hat dagegen als Leitbild für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen gute Arbeit vor Augen und möchte mehr Beschäftigung und bessere Arbeitsbedingungen erreichen. Deshalb stellt sich die Frage, wie die Digitalisierung auch für die Beschäftigten positiv genutzt werden kann.

Die wissenschaftliche Studie wurde im Auftrag von ver.di Niedersachsen-Bremen und der Friedrich-Ebert-Stiftung vom CIMA-Institut für Regionalwirtschaft durchgeführt. Dazu hat das Institut Experten in neun Unternehmen und sechs Branchen befragt und zentrale Entwicklungstrends untersucht sowie die Chancen und Probleme durch die Digitalisierung. Interessant sind die Ergebnisse nicht nur, weil sie für die Dienstleistungsbranchen allgemein zutreffen, sondern auch, weil neben der Arbeitnehmer- auch die Arbeitgeberseite angehört wurde.

Arno Brandt, Leiter des CIMA-Instituts Hannover, und sein Team haben sich die Branchen Telekommunikation, Verkehr, Handel und Logistik, Touristik, Medien und öffentlicher Dienst für die Studie angesehen. Deutlich wurde, dass durch die neue Technik nicht zwangsläufig eine bessere Arbeitsqualität und gute Arbeit entstehen. Um gute Arbeit zu erreichen, müssen nach Brandts Einschätzung frühzeitig auch die Interessen der Arbeitnehmer/innen eingebracht werden. "Wir haben es immer mit Rationalisierungseffekten und Arbeitsplatzabbau zu tun, auch wenn neue Arbeitsplätze entstehen", so Brandt.

Zum Beispiel werden durch die Digitalisierung bei T-Systems, eines der untersuchten Unternehmen, vorhandene Arbeitsprozesse immer mehr automatisiert. Das spart Arbeitsschritte. Kunden werden technisch eingebunden und können ihre Daten selbst verwalten. Auch das kostet Arbeitsplätze. Neue Produkte und kreative Entwicklungen verändern weitere Prozesse. Und laufend werden neue Produkte und digitale Innovationen entwickelt. Doch die Menschen müssen das auch leisten können und sich ständig weiterbilden. Für Betriebsrätin Kerstin Marx, wäre Arbeit 4.0 erst dann eine gute Arbeit 4.0, wenn man die Menschen für die neuen Anforderungen fit macht. Dabei gehe es laut Marx um Fachwissen, um Schutz vor Überlastung und um neue Freiräume.

Nicht ohne zusätzliche Qualifizierung

Detlef Ahting, ver.di-Landesleiter in Niedersachen, nannte die erforderlichen Rahmenbedingungen, die sich aus den Ergebnissen der Studie ableiten lassen, um soziale Verwerfungen zu verhindern: "Die betrieblichen Fallbeispiele bestätigen, dass die Arbeit der Zukunft nicht ohne zusätzliche Qualifizierung und Weiterbildung, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie nicht ohne Beteiligung und Mitbestimmung der Beschäftigten zu organisieren ist." Urban Überschär, Leiter des Landesbüros Niedersachsen der Friedrich-Ebert-Stiftung, lenkte den Blick auf die Verantwortung der Politik, es sei auch an ihr, den digitalen Strukturwandel zu begleiten. Die Studie mache deutlich, dass es Handlungsbedarf des Gesetzgebers gebe.

Die Ergebnisse der Studie wurden an den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Olaf Lies,SPD, übergeben. Auch er sagte, ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Gelingen von Digitalisierungsprozessen sei die frühzeitige Kooperation der Sozialpartner im Betrieb und die Einbindung der Beschäftigten.

Studie im Netz: https://nds-bremen.verdi.de