Soviel ist sicher: Gedruckte Bücher sind schöner als elektronische. Bei digitalisierten Texten werden Textur und Geruch von Papier und Tinte stark vermisst. Offenbar bestehen die Leser auf dieser sinnlichen Wahrnehmung. Obwohl das Angebot an digitalen Büchern steigt, stagniert die Nachfrage. Eine gerade veröffentlichte Studie zeigt, dass in Deutschland nur jeder vierte Erwachsene E-Books liest. Die Zahl ist in den letzten Jahren konstant geblieben. Verständlicherweise hätten es die Verlage gern anders: So könnten sie an Logistik, Lagerung und Restposten sparen. Gerade die Preisfrage scheint für die Wahl der Leser entscheidend zu sein. Es ist schwer nachvollziehbar, warum digitale Bücher, obwohl geringe Materialkosten anfallen, kaum günstiger sind als gedruckte Exemplare. Verantwortlich dafür hält die Branche den ungleichen Mehrwertsteuersatz (19 Prozent gegen 7 Prozent). Auch die Buchpreisbindung schränkt ein billigeres Angebot ein. Ohnehin sind viele Konsumenten wenig gewillt, für immaterielle Produkte zahlen zu müssen. Mit dem Internet hat sich die Idee einer Gratis-Kultur durchgesetzt, wobei leicht übersehen wird, dass Autoren, Lektoren, Designer und Werber auch gern bezahlt werden möchten.

Digitale Bücher muss man aber nicht einzeln kaufen. Öffentliche Bibliotheken bieten eine immer größere Auswahl davon an. Auch Privatanbieter haben Flatrate-Modelle entwickelt, in denen der Kunde gegen eine monatliche Gebühr auf ein beträchtliches Angebot zugreifen kann. Und schließlich lassen sich alte Werke, die dem Urheberrecht nicht mehr unterliegen, kostenlos aus dem Internet herunterladen, darunter viele, die längst vergriffen und selbst antiquarisch schwer auffindbar sind.

Die wichtige Frage ist jedoch: Weshalb sollten wir überhaupt digital lesen? Einige Vorteile sind schon bekannt. Wenn wir auf Reisen sind, ist es doch schön, eine ganze Bibliothek auf einem leichten Tablet mitzunehmen. Auch möchte niemand seine Bücherregale mit Romanen oder Fachliteratur überfrachten, die keine zweite Lektüre erfordern. Und auch im Bett ist ein Lesegerät von Vorteil, um so mehr, wenn man den schlafenden Partner nicht mit Lampenlicht stören will.

Einfach zu anstrengend

Und doch weigert sich die Mehrheit, die Technik zu nutzen. Von der sinnlichen Wahrnehmung und dem Preis abgesehen, geben die meisten an, ihnen sei die Lektüre auf einem Bildschirm zu anstrengend.

Über die tatsächliche Veränderung des Leseverhaltens streiten sich die Forscher. Manche behaupten, dass ein digitaler Text nur überflogen werde anstatt Wort für Wort gelesen zu werden. Ironischerweise wurde derselbe Vorwurf zu Gutenbergs Zeit gegen den Buchdruck erhoben. Kopisten waren damals der Meinung, es sei nötig, einen Text selbst abzuschreiben, um sich in ihn vertiefen zu können. Gut belegt ist die Tatsache, dass junge Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, dazu neigen, sprunghaft statt linear zu lesen. Das tun sie aber auch mit gedrucktem Material. Hingegen scheint es bücheraffinen Leuten egal zu sein, auf welcher Oberfläche sich der Text befindet. Die Gehirnaktivität ist dieselbe. Dafür wird in der Regel auf Papier nicht langsamer, sondern schneller gelesen.

Erfahrungsgemäß ist am Bildschirm eher der Zwang zum linearen Lesen eine Behinderung. Ein Papierbuch lässt sich leichter durchblättern, man kann rasch ein paar langweilige Seiten überspringen, bis ein Absatz wieder interessant wird oder schnell an eine bestimmte Stelle zurückkehren. Dafür ist die elektronische Suchfunktion kein richtiger Ersatz. Ohne Zweifel ist die Technik noch entwicklungsfähig und wir können in naher Zukunft mit Produkten rechnen, die sich von den herkömmlichen Formaten entfernt haben werden.

Besonders unbeliebt ist das digitale Lesen bei Senioren. Nur sieben Prozent geben an, E-Books zu nutzen. Das wird wenig überraschen. Ab einem bestimmten Alter hat man wenig Lust, auf seine Gewohnheiten zu verzichten. Und doch wäre gerade für diese Altersgruppe die neue Technik am sinnvollsten. Physiologische Studien belegen, dass für Menschen über 60 das Lesen mit einem Gerät erheblich erleichternd ist. Anders als die Jüngeren können sie digitale Texte schneller mit den Augen erfassen als gedruckte Texte. Infolgedessen müssen sie ihr Gehirn weniger anstrengen, können also konzentrierter und länger lesen. Der Vorteil liegt an dem leuchtenden Display sowie an den kontrastreicheren Buchstaben. Zudem kann die Schriftgröße der Sehschwäche angepasst werden. Hersteller haben dieses Marktsegment wahrgenommen und bieten jetzt Lesegeräte, die sehr einfach zu bedienen sind, denn bisher war die komplizierte Technik das größte Hemmnis. Im Fall einer altersbedingten Augenerkrankung ist ohnehin ein E-Book die einzige Chance, Literatur weiterhin genießen zu können. So sehr an der Zukunft elektronischer Bücher gezweifelt werden kann, sie sind für ältere Menschen ein Segen.