Maria Kniesburges ist Chefredakteurin der ver.di publik

Wie fühlt sich das an unterm Weihnachtsbaum, wenn der befristete Arbeitsvertrag schon am 1. März wieder ausläuft? Wenn die ständige Frage quält: Wie wird es dann weitergehen? 3,2 Millionen Menschen waren im Jahr 2015 nur befristet beschäftigt. Und besonders stark betroffen von dieser Form der unsicheren Beschäftigung sind die jungen Menschen im Land: Mehr als 60 Prozent der Beschäftigten unter 35 Jahren sind befristet tätig, befinden sich also sozusagen in einer ausgedehnten Probezeit. Diese gar nicht weihnachtlichen, unerfreulichen Zahlen hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung zu Beginn der Adventszeit vorgelegt.

Befristung des Arbeitsverhältnisses, das bedeutet permanente Unsicherheit, was die Zukunft angeht, versperrt gerade den jungen Menschen eine Zukunfts- und Lebensplanung, zu der etwa auch die Gründung einer Familie gehören könnte. Und eine Befristung erhöht den ohnehin meist hohen Druck bei der Arbeit, weil da die Hoffnung ist, den Arbeitgeber durch außergewöhnliche Leistungsbereitschaft zu einem unbefristeten Vertrag bewegen zu können. Eine Hoffnung, die immer wieder und viel zu oft enttäuscht wird. Weil die Befristung des einen Leid und des anderen, nämlich des Arbeitgebers Wohl ist.

Zumal in befristeter Beschäftigung sehr viel Arbeit zu sehr kleinen Löhnen geleistet wird, auch das hat die Studie ergeben. Knapp 23 Prozent, also fast ein Viertel der befristet Tätigen erzielen auf ihrer befristeten Vollzeitstelle lediglich ein Nettoeinkommen von weniger als 1.100 Euro. Und das erschwert nicht nur die Lebensplanung, sondern schon ganz akut das tägliche Leben, wie etwa auch das bevorstehende Weihnachtsfest.

Unsichere Arbeit, sei es in befristeten Arbeitsverhältnissen, in Teilzeit, Minijobs, in Leiharbeit und zum Niedriglohn - all das verwehrt Millionen Menschen in unserem wirtschaftsstarken Land ein angemessen auskömmliches Leben und rächt sich auch im Alter bitter. Wer mit 35 Jahren schon auf mehrere Jahre als Niedriglöhner zurückblicken muss, wird beim Blick auf den Rentenbescheid auch nicht froher werden. Denn der Rentenanspruch bildet im Kern den Verlauf des Erwerbslebens ab, und etwa mehrere Jahre in unfreiwilliger Teilzeitarbeit wirken sich da durchaus verheerend aus. Die stetige Ausweitung des Niedriglohnsektors und der sogenannten prekären Arbeitsverhältnisse programmiert Altersarmut in Ausmaßen, wie sie sich viele in unserer reichen Gesellschaft bislang wohl noch gar nicht ausmalen können. Hinzu kam in den vergangenen 15 Jahren eine Rentenpolitik, die das Risiko immer weiter auf die Schultern der Beschäftigten und späteren Rentnerinnen und Rentner geschoben hat und die, wie die Gewerkschaften es fordern, dringend grundlegend korrigiert werden muss.

Und wie in der Rentenpolitik so ist auch ein Kurswechsel auf dem Arbeitsmarkt, in der Beschäftigungspolitik nötig. Die prekäre Beschäftigung, die nichts anderes ist als eine gewollte Verrottung der Arbeitsverhältnisse im Sinne hemmungsloser Gewinnsteigerung, muss abgeschafft werden. Nicht eingedämmt, sie muss abgeschafft werden. Und dafür hat die Politik die Instrumente - und die Verantwortung. Wenn der Wettbewerb in unserer längst nicht mehr sozialen Marktwirtschaft bevorzugt über exzessives Lohndumping, Befristung und andere unsichere Arbeit verläuft, dann ist das keine stolze wirtschaftliche Leistung. Im Gegenteil: Es ist existenzgefährdend für Hunderttausende, zerstört Familien und macht krank. Und schließlich noch arm im Alter. Das muss ein Ende haben.

Grotesk auch der seit Jahren schon währende Skandal, dass die Steuerzahler die Kosten der Firmen tragen, deren Geschäftsmodell der Dumpinglohn ist. Denn aus den Steuergeldern wird die staatliche Hilfe für die sogenannten Aufstocker gezahlt, deren Lohn zum Leben nicht reicht. Und das alles ist umso aberwitziger, als die Reichen im Land, etwa die vielen Erben großer Vermögen, von der Steuerpolitik der politisch Verantwortlichen nicht nur geschont, sondern auch noch reich beschenkt werden. Auch hier steht ein Kurswechsel zwingend an.

Doch die Bundesregierung ist mit anderem befasst. Erst kürzlich hat sie abermals eine neue Fassung der sogenannten Hartz IV-Gesetze vorgelegt. Und statt der versprochenen Verbesserungen und Entbürokratisierungen für die Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, bringt es ihnen vor allem Verdruss, noch weniger Rechte etwa. Und im nächsten Jahr gerade mal fünf Euro mehr im Monat. Weil erneut die Liste der Bedarfe eines Menschen schlicht gekürzt worden ist. Gestrichen wurde unter anderem der Weihnachtsbaum.

Die stetige Ausweitung des Niedriglohnsektors programmiert Altersarmut in Ausmaßen, wie sie sich viele noch gar nicht ausmalen können