In Darmstadt haben sich Straßenbahnfahrer/innen mit Solidaritätsstreiks ihren Kolleginnen und Kollegen vom Busverkehr angeschlossen

Natürlich fahre ich mit dem Bus sicher und pünktlich zur Arbeit, lasse mich wie selbstverständlich um die Autoschlangen und Baustellen herum gondeln und erwarte zur erbetenen Auskunft ein freundliches Gesicht. Doch plötzlich kommt es anders: "Am Montag, 9. Januar, ab Betriebsbeginn um vier Uhr, liegt der öffentliche Personennahverkehr lahm." So oder ähnlich lauteten die Mitteilungen der Verkehrsbetriebe in zahlreichen hessischen Städten.

Die Mehrzahl der rund 2.200 hessischen Beschäftigten bei privaten Busunternehmen folgten zum Jahresanfang einem Aufruf von ver.di Hessen zum unbefristeten Streik. Zentral betroffen waren Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet, Darmstadt, Marburg, Hanau, Fulda, Gießen, Maintal, Offenbach und der Main-Kinzig-Kreis.

Arbeitgeber setzen auf Hinhaltetaktik

Nach monatelangen Verhandlungen und einer massiven Verzögerungstaktik der Arbeitgeber wollten die Busfahrer/innen endlich ein ernsthaftes Verhandlungsangebot sehen, das zu einer spürbaren Verbesserung der Arbeitsbedingungen beiträgt. Die Beteiligung ist hoch, denn die Probleme sind dringend und die Arbeitgeber uneinsichtig. Aber auch nach neun Tagen Streik beließ es der Landesverband Hessischer Omnibusunternehmen (HLO) beim vagen Philosophieren. Das nervt.

Und so sieht es für die Busfahrer/innen tagtäglich aus: Sie werden für ihre Arbeit schlecht bezahlt. Gegenwärtig beträgt der Stundenlohn 12 Euro brutto - für Männer und Frauen gleichermaßen wenig. Im Monat kommen sie da auf 1.920 Euro brutto. Nun verlangen die Beschäftigten eine deutliche Erhöhung auf 13,50 Euro pro Stunde. Damit kann man auch noch nicht den Himmel stürmen, aber ein Schritt wäre getan. Manfred Peikert aus Fulda, Betriebsrat und Mitglied der Tarifkommission, ist überzeugt: "Der Beruf des Busfahrers muss endlich wieder den Stellenwert bekommen, den er verdient." Und der drückt sich nicht zuletzt in der Bezahlung aus. In Fulda, wie auch in anderen hessischen Städten, beantwortete der Arbeitgeber den Streik aber erst einmal mit Aussperrung.

Geteilte Schichten mit Zwangspausen

Zur schlechten Bezahlung kommen die anderen miserablen Arbeitsbedingungen hinzu. Die Fahrerinnen und Fahrer arbeiten meist in geteilten Schichten. Das kann bedeuten, dass die Schicht insgesamt zwölf Stunden dauert, aber die aktive Zeit hinter dem Lenkrad siebeneinhalb Stunden beträgt und der Rest als unbezahlte Zwangspause gilt. Diese Zeit reicht aber in der Regel nicht aus, um etwa gemütlich nach Hause zu gehen und tatsächlich auszuruhen. In den meisten Fällen ist allenfalls eine kleine Stippvisite möglich. Denn man muss ja wieder rechtzeitig zum nächsten Teil der Schicht erscheinen. Außerdem muss an den Aushängen in Erfahrung gebracht werden, ob sich - etwa durch Baustellen - die Fahrtroute geändert hat. Nach Schichtende wird dann noch abgerechnet - ebenfalls als aufgezwungene Freizeitbeschäftigung, ohne Bezahlung.

Kundgebung in Gießen. Am 11. Januar protestieren 170 Streikende aus Gießen und Marburg vor dem Verbandsgebäude der Arbeitgeber, die sich aber nicht blicken ließen

Die Arbeitgeber knabbern aber noch weiter an der bezahlten Arbeitszeit. Pro Stunde gibt es in der Regel zehn Minuten Abzug für die Wendezeit an der Endstation. Wenn mal ein Stau war oder ein Fahrgast Fragen hat - noch so ein Freizeitvergnügen. Ein anderer Fall: Besonders in den frühen Morgenstunden können nach Fahrplan Standzeiten vorkommen. Dann warten die Fahrer/innen auf eigene Kasse hinter dem Steuer - gerade im Winter besonderes unangenehm. Wenn dann wirklich Feierabend ist, bleibt für Familie, Erholung oder Hobby kaum noch Zeit. Hier muss sich dringend was ändern. Auch was den Urlaub und die Altersversorgung anbelangt.

Solidaritätsstreiks auf den Schienen

Bei solchen Bedingungen ist es kein Wunder, dass die Fluktuation hoch ist und ständig neue Arbeitskräfte gesucht werden. In Marburg gibt es die Sonderregelung: Die Stadt zahlt den "Marburg-Euro", das sind 50 Cent zusätzlich pro Stunde. Bedingung: Es muss Dienstkleidung getragen werden. Steckt dahinter vielleicht das schlechte Gewissen, dass im Zuge des Privatisierungswahns die Verkehrsbetriebe ausgegliedert wurden - als hundertprozentige Tochter der Stadtwerke, aber mit schlechteren Tarifen als im öffentlichen Dienst? Die Aufträge an die privaten Busunternehmen werden europaweit ausgeschrieben. Das billigste Angebot kommt zum Zug.

Um gemeinsam gegen diese Missstände anzugehen, haben sich in Darmstadt die Straßenbahnfahrer mit Solidaritätsstreiks angeschlossen. Das gemeinsame Ziel: gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Susanne Bolenz, eine der zehn Busfahrerinnen in Marburg, drückt es so aus: "Wir streiken hier seit über einer Woche am Stück. Wir machen das nicht, um Fahrgäste zu ärgern. Uns geht es darum, dass wir von unserem Lohn auch vernünftig leben können. Wir machen eine verantwortungsvolle Arbeit, die entsprechend wertgeschätzt werden muss. Das macht uns so entschlossen." Sie gibt zu bedenken, dass auch die Parlamente gefordert sind, die Bedingungen im privaten Busgewerbe grundlegend zu verbessern. "Mal sehen, ob die Schlichtung zum Erfolg führt."